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Samstag, 13. Januar 2018
Drache vorm Bauch (Gwen 3)
minzstern, 11:56h
Skye lief am See entlang und schaute auf den grauen Himmel. Es war nicht sonderlich kalt, aber die kahlen Bäume und zerzausten Reiher und Enten am See machten sie melancholisch. Sie mühte sich ab, wacker durch den Matsch zu stapfen, weil sie dringend Bewegung und frische Luft brauchte. Außerdem schien die Gehbewegung Gwens Ei im Tragetuch vor ihrem Bauch zu beruhigen. Der kleine Drache schien seit einigen Tagen sehr unruhig. Das Ei vibrierte leicht und schwankte manchmal beunruhigend hin und her. „Wie wird das wohl werden?“, überlegte Skye. Ewig kann der kleine Drache ja nicht in seiner Hülle bleiben.
In den letzten Wochen hatte Skye versucht, das Ei irgendwie warm zu halten. So oft wie möglich trug sie es am Körper, weil sie vermutete, dass auch bei Drachen Körperkontakt und das Spüren eines Herzschlages irgendwie beruhigend sein dürfte. Wenn sie das Ei nicht tragen konnte, lag es in einem Korb vor der Heizung, den Skye mit all ihren Badetüchern ausgestattet hatte. Skye war sich immer noch nicht sicher, ob sie verrückt war, aber auf irgendeine Weise fühlte sie sich verantwortlich für dieses kleine Wesen. Sie hatte keine Ahnung von so etwas wie Brutpflege aber Wärme, Berührung und mit ihm reden schien ihr erstmal richtig zu sein.
Zwei Wochen nachdem Gwen ihr Ei auf Skyes Sofa zurückgelassen hatte, war sie aufgewacht, weil Gwen ihr warme Luft ins Gesicht schnaufte. Sie öffnete die Augen und schaute direkt in Gwens flauschig weich behaartes Gesicht. Einen Augenblick betrachtete sie den Flaum in Gwens Nüstern und versank erneut in ihren großen, tiefbraunen Augen. „Wie soll das werden?“, fragte Skye. Gwen schaute sie lange an. Skye fiel es schwer, diesem Blick standzuhalten, der alles enthielt: Wärme, Trotz, Verletzbarkeit und Rätsel.
Schließlich brummte Gwen: „Achte gut auf den kleinen Drachen. Es gibt nur noch sehr wenige von uns Winterdrachen und dieser Drache hat bisher alle Liebe erhalten, die ein starker Drache braucht. Es macht mich traurig, ihn zurück zu lassen.“ Skye schreckte hoch: „Hey, das kannst du nicht machen! Ich habe keine Ahnung, was ein Drache braucht. Wie soll ich ihn füttern und aufziehen? Ich muss arbeiten gehen und überhaupt, was soll ich ihm beibringen? Ist das überhaupt ein Er oder eine Sie? Und wann kommst Du wieder? Wie ….“. Gwen unterbrach Skye, indem sie ihr erneut ins Gesicht schnaufte: „Das wichtigste ist zu atmen. Alles andere wirst Du schon herausfinden. Drachen sind viel unkomplizierter als Menschen – wir wachsen einfach. Drachen sind keine klebrigen hilflosen Fleischfalten, die nichts können außer schreien, essen und kacken. Das wird schon. Drachen haben bereits Zähne beim Schlüpfen, also keine Sorge vor schlaflosen Nächten beim Zahnen. Wir brauchen keinen Schnuller, keine Windeln und auch keine Vorschule. Drachen sind. So einfach ist das. Drachen kommen nicht als er oder sie zur Welt. Drachen sind und wachsen.“ Gwen grinste erneut, stupste Skye an und atmete ihr warm und stinkig ins Gesicht. „Warum ich?“, fragte Skye. „Du hattest den besten Wein.“, schmunzelte Gwen.
Gwen schaute auf das Ei im Korb, schnaufte auch das Ei an, seufzte tief und verschwand.
Seitdem hatte Skye Gwen nicht mehr gesehen. Also hatte sie sich bemüht, das Ei warm zu halten und es darüber hinweg zu trösten, dass es so allein war. Es war sinnlos sich zu fragen, wie Gwen es geschafft hatte, sie von der Verantwortung für den Drachen zu überzeugen. Das Ei war nun mal da und seine nun häufiger werdenden Bewegungen zeigten, dass der Drache darin lebendig war – der Drache oder die Drachin.
In den letzten Wochen hatte Skye versucht, das Ei irgendwie warm zu halten. So oft wie möglich trug sie es am Körper, weil sie vermutete, dass auch bei Drachen Körperkontakt und das Spüren eines Herzschlages irgendwie beruhigend sein dürfte. Wenn sie das Ei nicht tragen konnte, lag es in einem Korb vor der Heizung, den Skye mit all ihren Badetüchern ausgestattet hatte. Skye war sich immer noch nicht sicher, ob sie verrückt war, aber auf irgendeine Weise fühlte sie sich verantwortlich für dieses kleine Wesen. Sie hatte keine Ahnung von so etwas wie Brutpflege aber Wärme, Berührung und mit ihm reden schien ihr erstmal richtig zu sein.
Zwei Wochen nachdem Gwen ihr Ei auf Skyes Sofa zurückgelassen hatte, war sie aufgewacht, weil Gwen ihr warme Luft ins Gesicht schnaufte. Sie öffnete die Augen und schaute direkt in Gwens flauschig weich behaartes Gesicht. Einen Augenblick betrachtete sie den Flaum in Gwens Nüstern und versank erneut in ihren großen, tiefbraunen Augen. „Wie soll das werden?“, fragte Skye. Gwen schaute sie lange an. Skye fiel es schwer, diesem Blick standzuhalten, der alles enthielt: Wärme, Trotz, Verletzbarkeit und Rätsel.
Schließlich brummte Gwen: „Achte gut auf den kleinen Drachen. Es gibt nur noch sehr wenige von uns Winterdrachen und dieser Drache hat bisher alle Liebe erhalten, die ein starker Drache braucht. Es macht mich traurig, ihn zurück zu lassen.“ Skye schreckte hoch: „Hey, das kannst du nicht machen! Ich habe keine Ahnung, was ein Drache braucht. Wie soll ich ihn füttern und aufziehen? Ich muss arbeiten gehen und überhaupt, was soll ich ihm beibringen? Ist das überhaupt ein Er oder eine Sie? Und wann kommst Du wieder? Wie ….“. Gwen unterbrach Skye, indem sie ihr erneut ins Gesicht schnaufte: „Das wichtigste ist zu atmen. Alles andere wirst Du schon herausfinden. Drachen sind viel unkomplizierter als Menschen – wir wachsen einfach. Drachen sind keine klebrigen hilflosen Fleischfalten, die nichts können außer schreien, essen und kacken. Das wird schon. Drachen haben bereits Zähne beim Schlüpfen, also keine Sorge vor schlaflosen Nächten beim Zahnen. Wir brauchen keinen Schnuller, keine Windeln und auch keine Vorschule. Drachen sind. So einfach ist das. Drachen kommen nicht als er oder sie zur Welt. Drachen sind und wachsen.“ Gwen grinste erneut, stupste Skye an und atmete ihr warm und stinkig ins Gesicht. „Warum ich?“, fragte Skye. „Du hattest den besten Wein.“, schmunzelte Gwen.
Gwen schaute auf das Ei im Korb, schnaufte auch das Ei an, seufzte tief und verschwand.
Seitdem hatte Skye Gwen nicht mehr gesehen. Also hatte sie sich bemüht, das Ei warm zu halten und es darüber hinweg zu trösten, dass es so allein war. Es war sinnlos sich zu fragen, wie Gwen es geschafft hatte, sie von der Verantwortung für den Drachen zu überzeugen. Das Ei war nun mal da und seine nun häufiger werdenden Bewegungen zeigten, dass der Drache darin lebendig war – der Drache oder die Drachin.
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Samstag, 6. Januar 2018
irgendwie glücklich
minzstern, 11:48h
Das Jahr war wieder immens schnell. Obwohl die Arbeit zu viel Zeit und Nerven gefressen hat und obwohl ich an mehreren Stellen arg krank war, war es ein schönes Jahr. Ich habe einigermaßen auf mich aufgepasst, bin im Frühjahr intensiv durch die Natur gestapft, bin weggefahren, hab mich ausgeruht und zusammengeflickt statt mich nur wie früher von Projekt zu Projekt zu schleppen. Ich habe ein bisschen dazu gelernt, mich weniger zu schinden.
Vor allem aber habe ich mich auf eine Reise begeben: Ich bin auf die 30-Jahre-Abitur-Feier gefahren (30 Jahre, ist es zu fassen!) und habe auch sonst Kontakt zu alten und ehemaligen Freund*innen aufgenommen. Die Antworten haben mich oft überrascht: einige haben gar nicht geantwortet, aber die meisten waren erfreut und haben sofort offen von sich erzählt. Manche Begegnungen waren einfach nett, manche haben dazu beigetragen alte Wunden endlich mal loszulassen und einige haben das Potenzial für weitere gute Gespräche.
Dieses Jahr haben die Menschen in meinem Leben und der Blick in den inneren Spiegel den größten Raum eingenommen: Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich meine Zeit mit wundervollen, starken und engagierten Freund*innen teile. Die meisten sehe ich viel zu selten und behandele sie nicht annähernd so gut wie ich sie gerne habe, aber sie sind in meinem Leben. 2017 war nicht zuletzt deshalb ein gutes Jahr, weil sich nur wenige Menschen von mir entfernt haben, sondern mehr alte und neue Menschen hinzugekommen sind, mit denen ich gerne Zeit und Aktivitäten verbringe.

Der Kontrast ist natürlich sehr schräg: politisch geht es so rasant abwärts: ganze Länder gehen an Ressentiments verloren, Menschen sterben in Massen in Kriegen und im Mittelmeer, die Armutsschere klafft weiter auf denn je und es ist nicht unwahrscheinlich, dass uns der ganze Laden klimatisch um die Ohren fliegt. Das entsetzt mich und ich versuche, wenigstens einen winzig kleinen Teil dagegen und für ein solidarisches Leben zu tun. Das ist mir viel zu winzig und manchmal weiß ich nicht mehr weiter. Ich bin mir aber meiner Privilegien sehr bewusst: ich kann und daher muss immer noch handeln, ich liebe und werde geliebt, ich lebe relativ geschützt und ich lebe ein aktives, bewegtes, zweifelndes (auch dies ein Privileg) und von vielen Vorgänger*innen erkämpftes Leben. Nicht in jeder Sekunde, aber in der Summe bin ich ein glücklicher Mensch und irgendwie doch ein ganzes Stück dort angekommen, wo ich irgendwann mal sein wollte: in genug Sicherheit, mit Handlungsspielraum, dem Wissen wer ich bin und der Liebe zu starken, zarten, wilden und sich kümmernden Menschen.
Vor allem aber habe ich mich auf eine Reise begeben: Ich bin auf die 30-Jahre-Abitur-Feier gefahren (30 Jahre, ist es zu fassen!) und habe auch sonst Kontakt zu alten und ehemaligen Freund*innen aufgenommen. Die Antworten haben mich oft überrascht: einige haben gar nicht geantwortet, aber die meisten waren erfreut und haben sofort offen von sich erzählt. Manche Begegnungen waren einfach nett, manche haben dazu beigetragen alte Wunden endlich mal loszulassen und einige haben das Potenzial für weitere gute Gespräche.
Dieses Jahr haben die Menschen in meinem Leben und der Blick in den inneren Spiegel den größten Raum eingenommen: Ich bin ein glücklicher Mensch, weil ich meine Zeit mit wundervollen, starken und engagierten Freund*innen teile. Die meisten sehe ich viel zu selten und behandele sie nicht annähernd so gut wie ich sie gerne habe, aber sie sind in meinem Leben. 2017 war nicht zuletzt deshalb ein gutes Jahr, weil sich nur wenige Menschen von mir entfernt haben, sondern mehr alte und neue Menschen hinzugekommen sind, mit denen ich gerne Zeit und Aktivitäten verbringe.

Der Kontrast ist natürlich sehr schräg: politisch geht es so rasant abwärts: ganze Länder gehen an Ressentiments verloren, Menschen sterben in Massen in Kriegen und im Mittelmeer, die Armutsschere klafft weiter auf denn je und es ist nicht unwahrscheinlich, dass uns der ganze Laden klimatisch um die Ohren fliegt. Das entsetzt mich und ich versuche, wenigstens einen winzig kleinen Teil dagegen und für ein solidarisches Leben zu tun. Das ist mir viel zu winzig und manchmal weiß ich nicht mehr weiter. Ich bin mir aber meiner Privilegien sehr bewusst: ich kann und daher muss immer noch handeln, ich liebe und werde geliebt, ich lebe relativ geschützt und ich lebe ein aktives, bewegtes, zweifelndes (auch dies ein Privileg) und von vielen Vorgänger*innen erkämpftes Leben. Nicht in jeder Sekunde, aber in der Summe bin ich ein glücklicher Mensch und irgendwie doch ein ganzes Stück dort angekommen, wo ich irgendwann mal sein wollte: in genug Sicherheit, mit Handlungsspielraum, dem Wissen wer ich bin und der Liebe zu starken, zarten, wilden und sich kümmernden Menschen.
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Sonntag, 3. Dezember 2017
Liebe ohne Enge – gibt es das?
minzstern, 17:52h
Ich würde das jedenfalls gern (mehr) lernen: eng verbunden mit den Liebsten, ernsthaft und freudig, vorsichtig und mutig, zugewandt und offen für die Welt, zart und lustvoll. Nicht nur zu zweit, sondern eng verbunden und aus freiem Willen in einem Netzwerk von Liebenden und Freund*innen.
Ich mag kein verliebt-verlobt-verheiratet-Standardprogramm – dazu habe ich weder Lust noch Fähigkeiten. Ich mag nicht Teil eines Pärchenterrors sein, wo krampfhaft die Zugehörigkeit und Normerfüllung inszeniert werden muss, indem das Umfeld durch Begattungsrituale möglichst mitten im Sichtfeld genervt wird. Ich grusele mich vor diesen Erwartungen, wenn du küsst, kommt dann Sex und dann Ehe und dann Öde… All dieses vorgefertigte, in das ich mich einzuordnen habe: hetera oder lesbisch, butch oder femme, passiv oder aktiv, monogam oder Vamp. Mit all dem kann ich nichts anfangen, weil es mich einengt, mich von mir selbst entfernt und von Dir entfernt. Ich mag lieber genau herausfinden, was Dir und mir im hier und jetzt entspricht.

Mich hat der Mythos noch nie überzeugt, dass es auf der einen Seite Freundschaften gibt, die platonisch zu sein haben, und es auf der anderen Seite, den / die eine*n zu geben hat, mit dem / der das volle Programm des monogamen verliebt-verlobt-verheiratet abgearbeitet werden muss. Zwar kann niemand losgelöst von der Gesellschaft agieren und einfach so aus Geschlechterrollen oder anderen Normierungen aussteigen, aber wir haben (heute, hier) das Privileg, an den Grenzen zu rütteln.
Ich mag mich aus freiem Willen entscheiden, wie ich mit wem wann liebe und lebe. Das ist für mich das Gegenteil von Unverbindlichkeit – gerade weil der freie Wille die Grundlage ist, kann, will und muss ich mit jeder Person genau herausfinden, was gut und richtig ist. Das ist immer wieder und permanent eine Entdeckungsreise, wo gut ist, was sich für die Beteiligten gut anfühlt. Ich möchte so leben, dass es für mich selbst und die Liebsten passt.
Ich mag freiwillig und sorgfältig lieben – so gut ich eben kann, mit Kopf, Herz, Haut und Bauch.
Ich mag kein verliebt-verlobt-verheiratet-Standardprogramm – dazu habe ich weder Lust noch Fähigkeiten. Ich mag nicht Teil eines Pärchenterrors sein, wo krampfhaft die Zugehörigkeit und Normerfüllung inszeniert werden muss, indem das Umfeld durch Begattungsrituale möglichst mitten im Sichtfeld genervt wird. Ich grusele mich vor diesen Erwartungen, wenn du küsst, kommt dann Sex und dann Ehe und dann Öde… All dieses vorgefertigte, in das ich mich einzuordnen habe: hetera oder lesbisch, butch oder femme, passiv oder aktiv, monogam oder Vamp. Mit all dem kann ich nichts anfangen, weil es mich einengt, mich von mir selbst entfernt und von Dir entfernt. Ich mag lieber genau herausfinden, was Dir und mir im hier und jetzt entspricht.

Mich hat der Mythos noch nie überzeugt, dass es auf der einen Seite Freundschaften gibt, die platonisch zu sein haben, und es auf der anderen Seite, den / die eine*n zu geben hat, mit dem / der das volle Programm des monogamen verliebt-verlobt-verheiratet abgearbeitet werden muss. Zwar kann niemand losgelöst von der Gesellschaft agieren und einfach so aus Geschlechterrollen oder anderen Normierungen aussteigen, aber wir haben (heute, hier) das Privileg, an den Grenzen zu rütteln.
Ich mag mich aus freiem Willen entscheiden, wie ich mit wem wann liebe und lebe. Das ist für mich das Gegenteil von Unverbindlichkeit – gerade weil der freie Wille die Grundlage ist, kann, will und muss ich mit jeder Person genau herausfinden, was gut und richtig ist. Das ist immer wieder und permanent eine Entdeckungsreise, wo gut ist, was sich für die Beteiligten gut anfühlt. Ich möchte so leben, dass es für mich selbst und die Liebsten passt.
Ich mag freiwillig und sorgfältig lieben – so gut ich eben kann, mit Kopf, Herz, Haut und Bauch.
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Samstag, 2. Dezember 2017
Advent
minzstern, 01:25h
Irgendwie ist es ja quasi selbstschädigend, nicht religiös zu sein. Niemand kocht mir am Freitag Fisch. Ich bekomme keine Weihnachtsgeschenke. Noch dazu muss ich selbst die Verantwortung für meine Untaten übernehmen und komme mit allen Ave Maria der Welt da nicht raus. In meinem Pudding gibt’s keine Trauben. Vor mir sind alle Puten, Hasen und Lämmchen sicher. Kein Baum fliegt aus dem Fenster und von Fasten kann ganz und gar nicht die Rede sein.

Aber all das spielt gar keine Rolle, wenn man die richtigen Freund*innen hat. Eine davon hat mir eine Art Adventskalender gebastelt, der für jeden Tag meiner Arbeitshöllenphase ein kleines Tütchen bereithält. Prompt sitze ich mich strahlenden Augen davor und versuche zu erraten, was wohl als nächstes darin sein könnte. So viele Tütchen, für jeden Tag ein glitzerndes Stückchen Trost. Noch einmal schlafen, dann darf ich das nächste Tütchen aufmachen. Tag für Tag, solange bis die doofen Lohnsklaventage endlich vorbei sind und es so richtig Advent wird mit Freund*innen in Kuschelsocken, beglitzert von Schnee und gemeinsamer Zeit.

Aber all das spielt gar keine Rolle, wenn man die richtigen Freund*innen hat. Eine davon hat mir eine Art Adventskalender gebastelt, der für jeden Tag meiner Arbeitshöllenphase ein kleines Tütchen bereithält. Prompt sitze ich mich strahlenden Augen davor und versuche zu erraten, was wohl als nächstes darin sein könnte. So viele Tütchen, für jeden Tag ein glitzerndes Stückchen Trost. Noch einmal schlafen, dann darf ich das nächste Tütchen aufmachen. Tag für Tag, solange bis die doofen Lohnsklaventage endlich vorbei sind und es so richtig Advent wird mit Freund*innen in Kuschelsocken, beglitzert von Schnee und gemeinsamer Zeit.
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Sonntag, 1. Oktober 2017
... und wie alles dann erst recht begann. (Gwen 2)
minzstern, 00:02h
Skye versuchte aufzuwachen und bereute es sofort. Ihre Augen klebten aneinander, ihre Zunge pappte wie aufgeweichte Kartoffelchips an ihrem Gaumen und sie suchte lange nach einem Gefühl in ihren Beinen. Vorsichtig streckte sie sich und hob ihren riesigen, bleischweren Kopf in der langsamsten Zeitlupe des Universums. Ganz langsam, einen Schritt vor den anderen, mit der Hand an der Wand entlang tastete sie sich in Richtung Badezimmer. Nach nur viermaligem Anschlagen von Ellenbogen, Knie und Kopf – „der hat doch gestern noch durch die Tür gepasst?“ – setzte sie sich erstmal und beging den zweiten schweren Fehler, ihren Kopf zu schütteln. Das Bad begann eine ausgesprochen ruckelige Achterbahnfahrt, währenddessen Skye sich auf schlichtes ein- und ausatmen reduzierte. Ein und wieder Aus, Ein und wieder Aus, Ein….
Nach gefühlt drei Wochen war Skye selbstbeatmet genug, um sich eine katergroße Portion kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen und den Rückweg anzutreten – „Was für seltsame Träume letzte Nacht“ – dachte sie noch und ließ sich haltlos auf ihr Sofa sinken. Jedenfalls sollte es ein Sinken werden: auf den Füßen stehend nach vorne kippen wie ein Lineal auf Urlaub und dieses Jahr nie wieder aufstehen, war alles, was sie noch wollte. Allerdings bemerkte sie kurz vor der Landung, dass ihr Sofa bereits belegt war von einem Ding. In einer schier übermenschlichen Kraftanstrengung verdrehte sich Skye, bildete eine höchste eigenwillige Korkenzieherlocke in der Luft und kam schließlich mit Karacho neben dem Ding auf dem Sofa zum Erliegen.
Ihre Rippen knarzten verdächtig, während ihr Kopf aufschlug wie ein altersschwacher Medizinball. Sie öffnete erneut mühselig ihre Augen und schaute auf dieses runde, eher ovale Schalending. Sie hob ihren bleischweren Kopf und scannte ihre eigenen leiernden Gedanken – „Gwen hat ein Ei hiergelassen? Moment Mal – Gwen war wirklich hier? Gwen war wirklich? Hallo, mein Kopf liegt neben einem Ei, das größer ist als mein Kopf?“ – Skye starte auf das Ei, glotzte eine lange Zeit und fragte sich schließlich, was denn in einem solchen Fall zu tun sei – sollte sie das Ei irgendwie wärmen oder drehen oder dem BUND übergeben? Da sie keine Ahnung von der Drachenei-Pflege hatte, legte sie vorsorglich einen Arm um das Ei, spürte dessen wärmendes Pulsieren und schlief ein, noch während sie sich fragte, ob nun sie das Ei beruhigte oder das Ei sie tief brummend in den Schlaf wiegte.
Nach gefühlt drei Wochen war Skye selbstbeatmet genug, um sich eine katergroße Portion kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen und den Rückweg anzutreten – „Was für seltsame Träume letzte Nacht“ – dachte sie noch und ließ sich haltlos auf ihr Sofa sinken. Jedenfalls sollte es ein Sinken werden: auf den Füßen stehend nach vorne kippen wie ein Lineal auf Urlaub und dieses Jahr nie wieder aufstehen, war alles, was sie noch wollte. Allerdings bemerkte sie kurz vor der Landung, dass ihr Sofa bereits belegt war von einem Ding. In einer schier übermenschlichen Kraftanstrengung verdrehte sich Skye, bildete eine höchste eigenwillige Korkenzieherlocke in der Luft und kam schließlich mit Karacho neben dem Ding auf dem Sofa zum Erliegen.
Ihre Rippen knarzten verdächtig, während ihr Kopf aufschlug wie ein altersschwacher Medizinball. Sie öffnete erneut mühselig ihre Augen und schaute auf dieses runde, eher ovale Schalending. Sie hob ihren bleischweren Kopf und scannte ihre eigenen leiernden Gedanken – „Gwen hat ein Ei hiergelassen? Moment Mal – Gwen war wirklich hier? Gwen war wirklich? Hallo, mein Kopf liegt neben einem Ei, das größer ist als mein Kopf?“ – Skye starte auf das Ei, glotzte eine lange Zeit und fragte sich schließlich, was denn in einem solchen Fall zu tun sei – sollte sie das Ei irgendwie wärmen oder drehen oder dem BUND übergeben? Da sie keine Ahnung von der Drachenei-Pflege hatte, legte sie vorsorglich einen Arm um das Ei, spürte dessen wärmendes Pulsieren und schlief ein, noch während sie sich fragte, ob nun sie das Ei beruhigte oder das Ei sie tief brummend in den Schlaf wiegte.
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Montag, 18. September 2017
Wie alles begann… (Gwen 1)
minzstern, 23:29h
Skye kuschelte sich gemütlich in ihren Lieblingssessel, nippte fröstelnd am Rotwein und dachte daran, wie schön es wäre, wenn der Wein ein paar Orangen, Nelken und andere Gewürze enthalten würde – schön erwärmt am Kamin, schön wärmend für Bauch und Füße. Sie konnte den samtig-fruchtigen Geschmack schon im Mund spüren, als etwas Plüschiges über ihr Gesicht wischte. Sie öffnete die Augen – „Wann sind mir die Augen denn zugefallen?“- und blickte auf eine Art weichen Flokati, aus dem zwei riesige, schwarze Kuhaugen herauslinsten. Es wirkte etwas kurzsichtig, wie es da schläfrig zwischen endlos langen Wimpern herabblickte. Skye schaute wie hypnotisiert in diese tiefen, warmen Augen, als das Wesen ihr ins Gesicht schnaubte: „Pah! Kuhaugen? Hast Du sie noch alle?“
Skye schreckte hoch, nicht sicher, ganz wach zu sein. Ihr Gegenüber war riesig – lauter Flausch, Krallen und leider auch eine Menge langer Zähne, die es jetzt verächtlich lächelnd fletschte. Es hatte massiven Mundgeruch, roch wie eine Mischung aus Wurstbrot von gestern, alten Socken und Lavendel. „Nuuun denn“, sagte es, „ist das bei euch Winzlingen nicht üblich, einem Gast einen Sitzplatz und ein Getränk nebst Kräckern anzubieten? Guten Abend und so?“
Skye blinzelte erneut. Da der flauschige Riese aber nicht verschwand, machte sie das Beste daraus. „Guten Abend, also. Möchtest Du nicht Platz nehmen? Das Sofa direkt gegenüber dürfte Deiner Größe entsprechen. Und was trinkt man so in Flauschianien?“ Als Antwort schnaufte es erneut „Pah und nochmal pah. Ich trinke sehr gerne auch so ein Glas rubinroten Gewürzwein, bitte nicht zu heiß. Im Übrigen, mein Name ist Gwendolina Tyromania Gwandania Pyrodonia Reginalda Rügenburges, kurz keinesfalls Rügi, sondern bei hohem Wohlfühlfaktor allenfalls Gwen, an guten Tagen, Du weißt schon, für die, die es wert sind, einfach Gwen.“ Skye unterbricht den Wortschwall: „Und Du bist was?“
„Die Frage ist: Wer, nicht Was. Ich, Gwen, bin ein Drache, genauer ein Winterdrache – das sieht man doch, aber naja, die Sehfähigkeiten von euch Winzlingen…“
„Pah!“, konterte nun wiederum Skye und wusste prompt nicht weiter. Also wickelte sie sich aus ihrem Sessel, schwankte leicht und wankte folgsam in die Küche, um Gwens Gewürzwein zu erwärmen. Es wunderte sie schon fast nicht mehr, wieso statt der halben Flasche Merlot nun ein ganzer Karton tiefroter Gewürztraminer plus Orangen und Gewürzen in der Küche standen. Nun denn, ein Drache im Wohnzimmer, da kam der Wein gerade recht. Sie klapperte eine Weile in der Küche herum, füllte ein kleinen und einen großen Weinkelch „Seit wann hab ich so große Kelche?“ und fand bei ihrer Rückkehr Gwen zusammengerollt auf dem Sofa vor. Ihr Fell bedeckte das komplette Riesenmöbel, was ganz schön fancy aussah. Gwen streckte lässig ihre Krallen aus und schnupperte wohlig grunzend am Wein: „Fein gemacht, Menschlein, wir werden eine gute Zeit miteinander haben.“
Skye schreckte hoch, nicht sicher, ganz wach zu sein. Ihr Gegenüber war riesig – lauter Flausch, Krallen und leider auch eine Menge langer Zähne, die es jetzt verächtlich lächelnd fletschte. Es hatte massiven Mundgeruch, roch wie eine Mischung aus Wurstbrot von gestern, alten Socken und Lavendel. „Nuuun denn“, sagte es, „ist das bei euch Winzlingen nicht üblich, einem Gast einen Sitzplatz und ein Getränk nebst Kräckern anzubieten? Guten Abend und so?“
Skye blinzelte erneut. Da der flauschige Riese aber nicht verschwand, machte sie das Beste daraus. „Guten Abend, also. Möchtest Du nicht Platz nehmen? Das Sofa direkt gegenüber dürfte Deiner Größe entsprechen. Und was trinkt man so in Flauschianien?“ Als Antwort schnaufte es erneut „Pah und nochmal pah. Ich trinke sehr gerne auch so ein Glas rubinroten Gewürzwein, bitte nicht zu heiß. Im Übrigen, mein Name ist Gwendolina Tyromania Gwandania Pyrodonia Reginalda Rügenburges, kurz keinesfalls Rügi, sondern bei hohem Wohlfühlfaktor allenfalls Gwen, an guten Tagen, Du weißt schon, für die, die es wert sind, einfach Gwen.“ Skye unterbricht den Wortschwall: „Und Du bist was?“
„Die Frage ist: Wer, nicht Was. Ich, Gwen, bin ein Drache, genauer ein Winterdrache – das sieht man doch, aber naja, die Sehfähigkeiten von euch Winzlingen…“
„Pah!“, konterte nun wiederum Skye und wusste prompt nicht weiter. Also wickelte sie sich aus ihrem Sessel, schwankte leicht und wankte folgsam in die Küche, um Gwens Gewürzwein zu erwärmen. Es wunderte sie schon fast nicht mehr, wieso statt der halben Flasche Merlot nun ein ganzer Karton tiefroter Gewürztraminer plus Orangen und Gewürzen in der Küche standen. Nun denn, ein Drache im Wohnzimmer, da kam der Wein gerade recht. Sie klapperte eine Weile in der Küche herum, füllte ein kleinen und einen großen Weinkelch „Seit wann hab ich so große Kelche?“ und fand bei ihrer Rückkehr Gwen zusammengerollt auf dem Sofa vor. Ihr Fell bedeckte das komplette Riesenmöbel, was ganz schön fancy aussah. Gwen streckte lässig ihre Krallen aus und schnupperte wohlig grunzend am Wein: „Fein gemacht, Menschlein, wir werden eine gute Zeit miteinander haben.“
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Dienstag, 12. September 2017
Das Leben in vollen Zügen genießen
minzstern, 00:38h
Es begab sich, dass Skye eine Reise tat. Aufgeregt und noch leicht müde wurden Knabberkram vorbereitet, Pausenbrötchen gekauft und Coffee to Go erstanden. Bestens präpariert saß Skye gemütlich zwischen ihrem Gepäck und schaukelte ganz zufrieden in bürgerlicher Wohlorganisiertheit vor sich hin. Im Gegensatz zu letzter Woche gab es diesmal keine Fußballfans, die alle Strophen „eisgekühlter Bommerlunder“ in blutende Ohren gegröhlt hatten. Skye genoss die Verantwortungslosigkeit des Transportiertwerdens und ließ sich nicht davon irritieren, dass auf der Anzeige immer mehr Reiseziele gestrichen wurden. Mit der professionellen Gelassenheit einer Bahncard-Besitzerin dachte sie kurz an Softwaremüll und schaukelte einfach weiter in freudiger Erwartung, bald ganz bald bald bald das Meer zu sehen.
Etwas unruhiger wurde sie, als die Durchsage erklang: „rüsemer nicht erreicht Hude heute abweichende törolo knörz brödele Informationen darqalann“. ?? Was wollte uns der werte Bahnmitarbeiter damit sagen? Es schien etwas ganz und gar nicht in Ordnung zu sein. Skye zog sich schon mal die Schuhe wieder an, falls es sich um einen Taifun, auslaufende Klos oder eine Evakuierung handeln sollte. Kurz nach Bremen brachen die Fakten sich schließlich doch Bahn. Glasklar erklang: „Vollsperrung. Heute nur bis Hude. Schienenersatzverkehr“.
DAAAAs war gar nicht gut und klang nicht nach Meer. Alles wird gut, sagte die Bahn. Und wenn die Bahn das sagt, gibt das Anlass zur Sorge.
Die ganze nervöse Bagage wurde also in Hude auf den Bahnsteig gekippt. Dort gab es weder Pauken noch Trompeten, schon gar keine Hinweise. Der ganze menschliche Müll strudelte sich irgendwie durch den Pissegeruch der Bahnunterführung und fand immerhin den Busbahnhof. Auf dem es leider keine Busse gab. 30 Minuten passierte gar nichts, kein Bus, keine Information, kein hilfreicher Geist.
Schließlich nahte ein einsames Taxi, das seine Kundin unter den 300 Wartenden finden musste, die alle 299 von der Taxifahrerin genau erfahren wollten, warum sie keineswegs einsteigen konnten. Nun allmählich wurde es laut, während Geschichten ausgetauscht wurden, wen es denn nun gerade am härtesten getroffen hatte. Skye machte irgendwann nur noch „Pah!“-Geräusche: Sie kommen später nach Hause? Sie müssen eine Fähre später nehmen? Sie hassen es hier zu stehen? PAH, Skye verpasste gerade die einzige Fähre des heutigen Tages und damit den Zugang zu ihrem Jahresurlaub!
Die Zeit verging unausweichlich und schließlich näherte sich ein einzelner Bus, aus dem 50 Menschen ausstiegen, die am anderen Ende der Sperrung festgesessen hatten. Entgegen des Singsangs aus dem Zug über den heilbringenden Schienenersatzverkehr erfuhr der Busfahrer nun zum ersten Mal, dass er keineswegs eine gemütliche Leerfahrt nach Hause vor sich hatte, sondern 300 entnervte Menschen in kleinen Portionen um die Sperrung herum schaukeln sollte. Weiterhin gab es keine Helfer. Es wurde nicht geschaut, wer den eiligsten Termin, das größte Drama, Kinder oder Rollstühle hatte. Nein, der erste und einzige Bus füllte sich mit rüstigen Rentnern, die vermutlich alle heute eh nichts mehr vorhatten. Halleluja. Da Skye nicht ihre Ellenbogen einsetzen wollte, wurde spätestens jetzt klar, dass die Fähre unerreichbar war. Es gab keine Infos, ob der Bus jemals wiederkommen würde und wenn ja wann. 250 Menschen standen ratlos und Skye wollte heulen, wen verhauen oder nach Hause.
Diese Möglichkeiten abwägend drehte sie mit ihrem Rollköfferchen ein paar tiefe Furchen in den Asphalt und ging dann vor sich hin schimpfend zurück auf den Bahnsteig. Dort jedoch standen weitere 100 Menschen, die auf die Wiederkehr der Züge warteten. Auch hier gab es keine Infos. Auf Skyes Bemerkung „nah, wenigstens hagelt es nicht“, öffnete sich der Himmel und kippte lauwarmes Pladderwasser auf die Wartenden.
Schließlich fuhren zwei winzige Züge ein mit der erhellenden Aufschrift „bitte nicht einsteigen“. Nun das konnten sie, das taten sie ja schon seit über einer Stunde. Auf dem Display erschienen nun Listen der Züge, die ausfielen. Jetzt wussten sie immerhin, was alles nicht ging, und hatten eine gute Sicht auf die weiterhin 200 Leute am Busbahnhof, die wie sedierte Fische in Ermangelung von Sinn und Richtung hin und her waberten. Eine weitere Stunde später gingen die Zugtüren auf, magische Wörter erschienen. Skye wählte „Bremen“. Immerhin war sie da vor gut zwei Stunden schon mal und da war es zwar nicht besser, aber immerhin näher an irgendwas außer Pampa.
Inzwischen verharrte sie in miesepetrigem Schweigen und wurde ohne weitere Schnörkel schließlich in Richtung nach Hause geruckelt. Nun wurde sie also ohne Abendbrot, Meeresbriese oder sonstwie Begeisterung auf ihr Zimmer geschickt. Strafe für nix. Kosten für nix. Sieben Stunden in Zügen für nix. Mit ihrer neu gewonnenen abgrundtief resignativen Gelassenheit surfte sie hoch professionell und ohne Hilfe, die eh nicht kommt, von einem verspäteten Zug zum nächsten.
Es wäre natürlich zu viel verlangt gewesen, schon in Bremen zu sagen, dass es keinen Sinn macht, erst in die Pampa zu fahren. Oder zuzugeben, dass es den Schienenersatzverkehr nur auf der Homepage, Abteilung Marketing und Treppenwitze, gibt. Oder anzubieten, dass alle ins Maritim gehen und auf den Untergang der verpeilten Bahn trinken. Nein, die Bahn bot die Chance, mit völlig fremden Leute zu schimpfen, die Depression der Pampa so richtig auszukosten und am Ende sogar froh zu sein, den Jahresurlaub nun auf dem Sofa, aber immerhin nicht ausgesetzt in einem Busbahnhof ohne Busse zu verbringen.
Und dabei kann Skye nicht mal schimpfen: Sie waren bloß 300. Sie waren alle satt und kamen nicht aus dem Krieg. Sie haben alle ein zu Hause. Sie waren nach 3 Stunden Ungewissheit vollkommen angepisst – nicht über die Sperrung, sondern über das beschissene Krisenmanagement und den absoluten Mangel an Informationen. Wie muss es da erst Menschen gehen, die davor bereits Krieg und Dramen im Schlauboot erlebt haben, währenddessen nicht wissen in welchem Land sie sind und wann es weitergeht und die noch dazu einer ungewissen Zukunft entgegenfahren?
Die 300 sind genervte Wohlstandsreisende, die an guten Service gewöhnt sind und sich zurecht beschweren, wenn der nicht kommt. Und ja, Skye ist genervt. Ja, sie hat schlimmes Heimweh nach dem Meer, um das sie betrogen wurde. Aber ja, sie hat ein zu Hause und kann in Ruhe den Kopf schütteln, während sie sich den größten Trost-Eisbecher gönnt, den sie bekommen kann.
Endlich daheim hat sie zwar kein Meer, aber sie hat unverplante Zeit gewonnen. Sie sagt einfach keinem, dass sie umgedreht wurde und wieder da ist. Sie macht nun statt Atmen am Meer vier Tage nur was sie will, wann sie will, mit wem sie will. Und das ist ein großer Luxus.

Etwas unruhiger wurde sie, als die Durchsage erklang: „rüsemer nicht erreicht Hude heute abweichende törolo knörz brödele Informationen darqalann“. ?? Was wollte uns der werte Bahnmitarbeiter damit sagen? Es schien etwas ganz und gar nicht in Ordnung zu sein. Skye zog sich schon mal die Schuhe wieder an, falls es sich um einen Taifun, auslaufende Klos oder eine Evakuierung handeln sollte. Kurz nach Bremen brachen die Fakten sich schließlich doch Bahn. Glasklar erklang: „Vollsperrung. Heute nur bis Hude. Schienenersatzverkehr“.
DAAAAs war gar nicht gut und klang nicht nach Meer. Alles wird gut, sagte die Bahn. Und wenn die Bahn das sagt, gibt das Anlass zur Sorge.
Die ganze nervöse Bagage wurde also in Hude auf den Bahnsteig gekippt. Dort gab es weder Pauken noch Trompeten, schon gar keine Hinweise. Der ganze menschliche Müll strudelte sich irgendwie durch den Pissegeruch der Bahnunterführung und fand immerhin den Busbahnhof. Auf dem es leider keine Busse gab. 30 Minuten passierte gar nichts, kein Bus, keine Information, kein hilfreicher Geist.
Schließlich nahte ein einsames Taxi, das seine Kundin unter den 300 Wartenden finden musste, die alle 299 von der Taxifahrerin genau erfahren wollten, warum sie keineswegs einsteigen konnten. Nun allmählich wurde es laut, während Geschichten ausgetauscht wurden, wen es denn nun gerade am härtesten getroffen hatte. Skye machte irgendwann nur noch „Pah!“-Geräusche: Sie kommen später nach Hause? Sie müssen eine Fähre später nehmen? Sie hassen es hier zu stehen? PAH, Skye verpasste gerade die einzige Fähre des heutigen Tages und damit den Zugang zu ihrem Jahresurlaub!
Die Zeit verging unausweichlich und schließlich näherte sich ein einzelner Bus, aus dem 50 Menschen ausstiegen, die am anderen Ende der Sperrung festgesessen hatten. Entgegen des Singsangs aus dem Zug über den heilbringenden Schienenersatzverkehr erfuhr der Busfahrer nun zum ersten Mal, dass er keineswegs eine gemütliche Leerfahrt nach Hause vor sich hatte, sondern 300 entnervte Menschen in kleinen Portionen um die Sperrung herum schaukeln sollte. Weiterhin gab es keine Helfer. Es wurde nicht geschaut, wer den eiligsten Termin, das größte Drama, Kinder oder Rollstühle hatte. Nein, der erste und einzige Bus füllte sich mit rüstigen Rentnern, die vermutlich alle heute eh nichts mehr vorhatten. Halleluja. Da Skye nicht ihre Ellenbogen einsetzen wollte, wurde spätestens jetzt klar, dass die Fähre unerreichbar war. Es gab keine Infos, ob der Bus jemals wiederkommen würde und wenn ja wann. 250 Menschen standen ratlos und Skye wollte heulen, wen verhauen oder nach Hause.
Diese Möglichkeiten abwägend drehte sie mit ihrem Rollköfferchen ein paar tiefe Furchen in den Asphalt und ging dann vor sich hin schimpfend zurück auf den Bahnsteig. Dort jedoch standen weitere 100 Menschen, die auf die Wiederkehr der Züge warteten. Auch hier gab es keine Infos. Auf Skyes Bemerkung „nah, wenigstens hagelt es nicht“, öffnete sich der Himmel und kippte lauwarmes Pladderwasser auf die Wartenden.
Schließlich fuhren zwei winzige Züge ein mit der erhellenden Aufschrift „bitte nicht einsteigen“. Nun das konnten sie, das taten sie ja schon seit über einer Stunde. Auf dem Display erschienen nun Listen der Züge, die ausfielen. Jetzt wussten sie immerhin, was alles nicht ging, und hatten eine gute Sicht auf die weiterhin 200 Leute am Busbahnhof, die wie sedierte Fische in Ermangelung von Sinn und Richtung hin und her waberten. Eine weitere Stunde später gingen die Zugtüren auf, magische Wörter erschienen. Skye wählte „Bremen“. Immerhin war sie da vor gut zwei Stunden schon mal und da war es zwar nicht besser, aber immerhin näher an irgendwas außer Pampa.
Inzwischen verharrte sie in miesepetrigem Schweigen und wurde ohne weitere Schnörkel schließlich in Richtung nach Hause geruckelt. Nun wurde sie also ohne Abendbrot, Meeresbriese oder sonstwie Begeisterung auf ihr Zimmer geschickt. Strafe für nix. Kosten für nix. Sieben Stunden in Zügen für nix. Mit ihrer neu gewonnenen abgrundtief resignativen Gelassenheit surfte sie hoch professionell und ohne Hilfe, die eh nicht kommt, von einem verspäteten Zug zum nächsten.
Es wäre natürlich zu viel verlangt gewesen, schon in Bremen zu sagen, dass es keinen Sinn macht, erst in die Pampa zu fahren. Oder zuzugeben, dass es den Schienenersatzverkehr nur auf der Homepage, Abteilung Marketing und Treppenwitze, gibt. Oder anzubieten, dass alle ins Maritim gehen und auf den Untergang der verpeilten Bahn trinken. Nein, die Bahn bot die Chance, mit völlig fremden Leute zu schimpfen, die Depression der Pampa so richtig auszukosten und am Ende sogar froh zu sein, den Jahresurlaub nun auf dem Sofa, aber immerhin nicht ausgesetzt in einem Busbahnhof ohne Busse zu verbringen.
Und dabei kann Skye nicht mal schimpfen: Sie waren bloß 300. Sie waren alle satt und kamen nicht aus dem Krieg. Sie haben alle ein zu Hause. Sie waren nach 3 Stunden Ungewissheit vollkommen angepisst – nicht über die Sperrung, sondern über das beschissene Krisenmanagement und den absoluten Mangel an Informationen. Wie muss es da erst Menschen gehen, die davor bereits Krieg und Dramen im Schlauboot erlebt haben, währenddessen nicht wissen in welchem Land sie sind und wann es weitergeht und die noch dazu einer ungewissen Zukunft entgegenfahren?
Die 300 sind genervte Wohlstandsreisende, die an guten Service gewöhnt sind und sich zurecht beschweren, wenn der nicht kommt. Und ja, Skye ist genervt. Ja, sie hat schlimmes Heimweh nach dem Meer, um das sie betrogen wurde. Aber ja, sie hat ein zu Hause und kann in Ruhe den Kopf schütteln, während sie sich den größten Trost-Eisbecher gönnt, den sie bekommen kann.
Endlich daheim hat sie zwar kein Meer, aber sie hat unverplante Zeit gewonnen. Sie sagt einfach keinem, dass sie umgedreht wurde und wieder da ist. Sie macht nun statt Atmen am Meer vier Tage nur was sie will, wann sie will, mit wem sie will. Und das ist ein großer Luxus.

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Sonntag, 3. September 2017
Ein Sessel voller Lachen
minzstern, 02:08h
Ich verbringe einen ruhigen Tag und spreche mit niemandem. Das ist irgendwie fade, träge und auf den ersten Blick schade um den freien Tag. Aber es tut gut, mal für mich zu sein. Mir schwirrt so viel im Kopf herum – nicht nur die endlosen Anforderungen im Job, sondern besonders einige intensive, erstaunliche Gespräche mit Freund*innen. In meinem Herz geistern Bildern herum, voller Gesten, Mimik und Blicke in die Seele. Wie gut eine Pizza schmeckt, die geteilt wird. Wie viel weniger schlimm all die Anstrengungen sind, sobald wir gemeinsam darüber seufzen. Und diese speziellen Momente, wo sofort klar ist, dass wir die nie wieder vergessen werden.
Einer davon: Wie wir so erzählen und gestikulieren und uns gegenseitig anstacheln beim Reden, fällt Waja ganz langsam mit ihrem Sessel um. Toni und Skye halten die Luft an, sehen Waja mit ihrem riesigen Sessel nach hinten kippen. Toni besitzt immerhin noch die Geistesgegenwart nach dem Sessel zu greifen und so das unaufhaltsame Abschmieren des Sessels zu verlangsamen. Waja kippt und kippt, guckt ein wenig erschrocken, alles verlangsamt sich, geht aber unaufhaltsam der Erdanziehung entgegen, ab, ab, ab in Zeitlupe. Während Waja ein wenig indigniert immer noch vor sich hin kippt, brechen Toni und Skye in schallendes Lachen aus in einer Mischung aus Schrecken und Fassungslosigkeit. Als Waja endlich ihr Daniedersinken vollendet hat, sammeln alle drei ihre Einzelteile auf, froh dass sie keinen Schaden genommen hat und können vor lauter Lachen nicht mal den Kopf schütteln über die unfassbar bekloppte und sofort unvergessliche Szene.

Es ist so kostbar, diese kleinen Momente zu teilen, sich auszutauschen, miteinander zu lachen, Geschichten zu erzählen, sich zu berühren und eine entspannte Zeit zu verbringen. Heute genieße ich nun den Tag für mich – irgendwo in einem Gewirr von Trägheit, Schmunzeln, Ratlosigkeit, Sehnsucht und Staunen. Ich weiß nicht wie das funktioniert, aber es schmeckt nach Leben, mit diesen erstaunlichen Menschen und mit diesen weltbewegten Fragen: Wie begegnen wir uns als Personen jenseits der Masken? Wie geht geliebt werden? Wie geht Vertrauen – bei sich zu bleiben und verbunden zu sein? Und nicht zuletzt: wie geht Liebe ohne Enge?
Einer davon: Wie wir so erzählen und gestikulieren und uns gegenseitig anstacheln beim Reden, fällt Waja ganz langsam mit ihrem Sessel um. Toni und Skye halten die Luft an, sehen Waja mit ihrem riesigen Sessel nach hinten kippen. Toni besitzt immerhin noch die Geistesgegenwart nach dem Sessel zu greifen und so das unaufhaltsame Abschmieren des Sessels zu verlangsamen. Waja kippt und kippt, guckt ein wenig erschrocken, alles verlangsamt sich, geht aber unaufhaltsam der Erdanziehung entgegen, ab, ab, ab in Zeitlupe. Während Waja ein wenig indigniert immer noch vor sich hin kippt, brechen Toni und Skye in schallendes Lachen aus in einer Mischung aus Schrecken und Fassungslosigkeit. Als Waja endlich ihr Daniedersinken vollendet hat, sammeln alle drei ihre Einzelteile auf, froh dass sie keinen Schaden genommen hat und können vor lauter Lachen nicht mal den Kopf schütteln über die unfassbar bekloppte und sofort unvergessliche Szene.

Es ist so kostbar, diese kleinen Momente zu teilen, sich auszutauschen, miteinander zu lachen, Geschichten zu erzählen, sich zu berühren und eine entspannte Zeit zu verbringen. Heute genieße ich nun den Tag für mich – irgendwo in einem Gewirr von Trägheit, Schmunzeln, Ratlosigkeit, Sehnsucht und Staunen. Ich weiß nicht wie das funktioniert, aber es schmeckt nach Leben, mit diesen erstaunlichen Menschen und mit diesen weltbewegten Fragen: Wie begegnen wir uns als Personen jenseits der Masken? Wie geht geliebt werden? Wie geht Vertrauen – bei sich zu bleiben und verbunden zu sein? Und nicht zuletzt: wie geht Liebe ohne Enge?
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Freitag, 25. August 2017
Selbstschutz
minzstern, 20:58h
Das Üble am zu-viel-Arbeiten ist ja nicht so sehr das viele Arbeiten. Die Lohnarbeit frisst zu viel Zeit und Kraft, die an anderen Stellen fehlen. In besonders harten Arbeitsphasen verliere ich das Gespür für meinen Körper, kann nicht mehr aufmerksam zuhören, bin nicht offen für Freund*innen und kann keine Nähe annehmen. Ich bin angespannt, gehetzt, sorgenbeladen, erschöpft und dicht.
Ich hätte ja abends schon noch Zeit, auch mal auszugehen, Freund*innen zu treffen, kreativ zu sein, Sport zu machen oder mein müdes Kreuz an Deinen wohlig warmen Bauch zu lehnen. Aber nein, im Laufe des Tages arbeite ich hochprofessionell, d.h. straff durchgeplant, mit maximaler Verdichtung und Multitasking bis zum Drehschwindel. Wenn ich dann endlich raus darf, bin ich viel zu ausgelaugt, um noch irgendetwas oder jemanden zu wollen. Nachts schlafe ich schlecht in Anbetracht zu langer to-do-Listen, Abwägungen, Planungen, zu erwartenden Angriffen, voraussehbaren Konflikten und vorauseilenden Lösungsstrategien.
Das Grauenhafte an der Abschöpfung meines Mehrwertes im Job ist, dass so wenig von mir bleibt. Mein Körper tut mir viel zu weh und ist steif vom Sitzen. Mein Kopf ist ausgepowert. Das Sprachmodul leer gequatscht. Ich kann vor lauter Tabellenkalkulationen kaum noch aus den Augen gucken. Selbst die Leute in der Fußgängerzone sind mir zu viel – wie könnte ich da noch offen sein für echte Nähe? Die Lohnarbeit raubt mir Teile meiner Gesundheit und vor allem erhebliche Teile meines Sozial- und Liebeslebens. Ich kann eben nicht die Bürotür abschließen und dann einfach einen Schalter umlegen von funktionierend auf lebendig. Mit jedem harten Arbeitstag verliere ich den Zugang zu dem, was ich an mir eigentlich wirklich mag: die Fähigkeit, meine eigene Kraft zu spüren, mich lebendig zu fühlen, zärtlich, eigenwillig und liebevoll zu sein.

Das Kostbare an meiner Lebendigkeit und Liebe kann ich nur bewahren, wenn ich lerne bei der Arbeit einen Marathon mit zielgerichteter und dosierter Kraft zu laufen: Nein sagen, wenn das Pensum mal wieder die Grenzen des maximal Schaffbaren sprengt. Einsehen, dass ich die endlosen Arbeiten nur Schritt für Schritt erledigen kann und niemals am Ende der langen Listen ankommen werde. Wenn es ohnehin nicht zu schaffen ist, bringt das innere Hyperventilieren nichts. Ich kann nur so weit wie möglich kommen. Alles andere führt zu mehr Fehlern (für deren Behebung ich keine Ressourcen habe) und letztlich zum Burnout. Statt ausbrennend zu sprinten, bin ich gut in meinem Job, indem ich so gut bin wie ich kann – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Ich hätte ja abends schon noch Zeit, auch mal auszugehen, Freund*innen zu treffen, kreativ zu sein, Sport zu machen oder mein müdes Kreuz an Deinen wohlig warmen Bauch zu lehnen. Aber nein, im Laufe des Tages arbeite ich hochprofessionell, d.h. straff durchgeplant, mit maximaler Verdichtung und Multitasking bis zum Drehschwindel. Wenn ich dann endlich raus darf, bin ich viel zu ausgelaugt, um noch irgendetwas oder jemanden zu wollen. Nachts schlafe ich schlecht in Anbetracht zu langer to-do-Listen, Abwägungen, Planungen, zu erwartenden Angriffen, voraussehbaren Konflikten und vorauseilenden Lösungsstrategien.
Das Grauenhafte an der Abschöpfung meines Mehrwertes im Job ist, dass so wenig von mir bleibt. Mein Körper tut mir viel zu weh und ist steif vom Sitzen. Mein Kopf ist ausgepowert. Das Sprachmodul leer gequatscht. Ich kann vor lauter Tabellenkalkulationen kaum noch aus den Augen gucken. Selbst die Leute in der Fußgängerzone sind mir zu viel – wie könnte ich da noch offen sein für echte Nähe? Die Lohnarbeit raubt mir Teile meiner Gesundheit und vor allem erhebliche Teile meines Sozial- und Liebeslebens. Ich kann eben nicht die Bürotür abschließen und dann einfach einen Schalter umlegen von funktionierend auf lebendig. Mit jedem harten Arbeitstag verliere ich den Zugang zu dem, was ich an mir eigentlich wirklich mag: die Fähigkeit, meine eigene Kraft zu spüren, mich lebendig zu fühlen, zärtlich, eigenwillig und liebevoll zu sein.

Das Kostbare an meiner Lebendigkeit und Liebe kann ich nur bewahren, wenn ich lerne bei der Arbeit einen Marathon mit zielgerichteter und dosierter Kraft zu laufen: Nein sagen, wenn das Pensum mal wieder die Grenzen des maximal Schaffbaren sprengt. Einsehen, dass ich die endlosen Arbeiten nur Schritt für Schritt erledigen kann und niemals am Ende der langen Listen ankommen werde. Wenn es ohnehin nicht zu schaffen ist, bringt das innere Hyperventilieren nichts. Ich kann nur so weit wie möglich kommen. Alles andere führt zu mehr Fehlern (für deren Behebung ich keine Ressourcen habe) und letztlich zum Burnout. Statt ausbrennend zu sprinten, bin ich gut in meinem Job, indem ich so gut bin wie ich kann – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
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Freitag, 18. August 2017
Schüchtern
minzstern, 02:12h
Du kannst Skye vor 10.000 Leute stellen, um eine Rede zu halten. Sie ist aufgeregt, bekommt einen roten Kopf, vielleicht redet sie zu schnell, aber sie hält eine flammende Rede von Anfang bis Ende.
Du kannst Skye in Vollkörperkontakt auf einen 120 kg-Skinhead loslassen. Das findet sie nicht schön, aber sie macht ihren Punkt klar und weicht nicht zurück. Sie ist durchaus mutig, redegewandt, selbstbewusst, einigermaßen helle. ABER
Aber sie ist unendlich schüchtern, sobald es um ihr verrücktes Herz geht. Sie dachte bisher, das wird besser, wenn sie älter und irgendwie erwachsener wird. Stattdessen wird es schlimmer: Früher war sie schüchtern, wenn jemand neues auftauchte, von dem oder der sie noch nicht wusste, was geht, was er oder sie will, wie er oder sie zu ihr steht. Wenn das mal halbwegs klar war, war die Schüchternheit vorbei.
Heute hingegen ist sie immer schüchtern, wirklich immer, wenn es um Gefühle geht. Selbst bei guten alten Freund*innen ist Skye sich nie sicher. Sie glaubt im Grunde ihres Herzens, dass sie sich Liebe erst verdienen muss. Sie will sich nicht aufdrängen, nicht stören, so dass sie in Panik gerät, sobald ihr jemand wirklich wichtig ist. Sie kann unmöglich sagen: komm, umarme mich, was ist wirklich los bei dir… Stattdessen erledigt sie was ansteht, versucht halbwegs cool zu bleiben, während ihr Herz zu gleichen Teilen vor Zuneigung und vor Angst wummert. Sie kriegt dann häufig kein Wort oder nur noch Blödsinn raus – und dies nicht nur beim Favoriten, sondern bei allen Freund*innen, an denen ihr Herz hängt.
Nur bei einer einzigen Freundin hat sie nie Angst. Carol hat den magischen Schlüssel gefunden: Sie sagt und zeigt wie selbstverständlich immer mal wieder, dass Skye ihr wichtig ist. Sie sagt „beste Freundin“, „Familie“, „schön mit Dir“, „du tust mir gut“ – Skye staunt und entspannt. Carol macht es ihr leicht, weil sie ein wunderbarer Mensch ist und weil sie Skye Brücken baut, ohne die Skye sonst gar nix kapiert. Bei ihr hat Skye nie Zweifel oder Angst.

Bei allen anderen ist Skye unendlich schüchtern und steht sich selbst im Weg. Ohne ein deutliches Ja versinkt sie in Panik, Flucht, Seufzen, Grübeln, Rückzug. Skye weiß, dass das bescheuert ist und viel kaputt macht. Sie macht es sich und anderen schwer, indem sie alles tausend Mal sortiert, deutet und hinterfragt. Im schlimmsten Fall führt sie vor lauter Unsicherheit Klärungsgespräche, die immerhin ehrlich sind, aber meistens alles nur schlimmer machen, weil sie in Worte zwängen, in die Gefühle gar nicht reinpassen.
Sie wünschte, sie könnte gelassen sein, sich an dem freuen was geht, morgen ignorieren, einfach springen, tanzen, aufs Glatteis laufen. Stattdessen denkt sie über das verdammte Glatteis nach, auf das ihr verrücktes Herz sie lockt, und schon rast die Angst – dabei will sie genau das nicht. Sie möchte lernen, zu leben, lachen, mögen, lieben und vor allem zu vertrauen, dass das schon passt. Ohne Ja hört sie aber Nein oder egal und schon grätscht ihr die Schüchternheit den letzten Rest von Gelassenheit und Leichtigkeit weg. Sie kann und will nicht um „Ja“ bitten, bringt ja auch nix – aber nur mit dem Ja kann sie den Angst-Knast verlassen und der liebevolle, starke Mensch an Deiner Seite sein, der sie ist und sein will.
Du kannst Skye in Vollkörperkontakt auf einen 120 kg-Skinhead loslassen. Das findet sie nicht schön, aber sie macht ihren Punkt klar und weicht nicht zurück. Sie ist durchaus mutig, redegewandt, selbstbewusst, einigermaßen helle. ABER
Aber sie ist unendlich schüchtern, sobald es um ihr verrücktes Herz geht. Sie dachte bisher, das wird besser, wenn sie älter und irgendwie erwachsener wird. Stattdessen wird es schlimmer: Früher war sie schüchtern, wenn jemand neues auftauchte, von dem oder der sie noch nicht wusste, was geht, was er oder sie will, wie er oder sie zu ihr steht. Wenn das mal halbwegs klar war, war die Schüchternheit vorbei.
Heute hingegen ist sie immer schüchtern, wirklich immer, wenn es um Gefühle geht. Selbst bei guten alten Freund*innen ist Skye sich nie sicher. Sie glaubt im Grunde ihres Herzens, dass sie sich Liebe erst verdienen muss. Sie will sich nicht aufdrängen, nicht stören, so dass sie in Panik gerät, sobald ihr jemand wirklich wichtig ist. Sie kann unmöglich sagen: komm, umarme mich, was ist wirklich los bei dir… Stattdessen erledigt sie was ansteht, versucht halbwegs cool zu bleiben, während ihr Herz zu gleichen Teilen vor Zuneigung und vor Angst wummert. Sie kriegt dann häufig kein Wort oder nur noch Blödsinn raus – und dies nicht nur beim Favoriten, sondern bei allen Freund*innen, an denen ihr Herz hängt.
Nur bei einer einzigen Freundin hat sie nie Angst. Carol hat den magischen Schlüssel gefunden: Sie sagt und zeigt wie selbstverständlich immer mal wieder, dass Skye ihr wichtig ist. Sie sagt „beste Freundin“, „Familie“, „schön mit Dir“, „du tust mir gut“ – Skye staunt und entspannt. Carol macht es ihr leicht, weil sie ein wunderbarer Mensch ist und weil sie Skye Brücken baut, ohne die Skye sonst gar nix kapiert. Bei ihr hat Skye nie Zweifel oder Angst.

Bei allen anderen ist Skye unendlich schüchtern und steht sich selbst im Weg. Ohne ein deutliches Ja versinkt sie in Panik, Flucht, Seufzen, Grübeln, Rückzug. Skye weiß, dass das bescheuert ist und viel kaputt macht. Sie macht es sich und anderen schwer, indem sie alles tausend Mal sortiert, deutet und hinterfragt. Im schlimmsten Fall führt sie vor lauter Unsicherheit Klärungsgespräche, die immerhin ehrlich sind, aber meistens alles nur schlimmer machen, weil sie in Worte zwängen, in die Gefühle gar nicht reinpassen.
Sie wünschte, sie könnte gelassen sein, sich an dem freuen was geht, morgen ignorieren, einfach springen, tanzen, aufs Glatteis laufen. Stattdessen denkt sie über das verdammte Glatteis nach, auf das ihr verrücktes Herz sie lockt, und schon rast die Angst – dabei will sie genau das nicht. Sie möchte lernen, zu leben, lachen, mögen, lieben und vor allem zu vertrauen, dass das schon passt. Ohne Ja hört sie aber Nein oder egal und schon grätscht ihr die Schüchternheit den letzten Rest von Gelassenheit und Leichtigkeit weg. Sie kann und will nicht um „Ja“ bitten, bringt ja auch nix – aber nur mit dem Ja kann sie den Angst-Knast verlassen und der liebevolle, starke Mensch an Deiner Seite sein, der sie ist und sein will.
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Sonntag, 23. Juli 2017
Katzenhaare II – eine Utopie
minzstern, 13:22h
Und dann gibt es diese Tage, an denen ich mich frage, wie ich eine bessere Menschenlady werde: ich schmeiß den Fernseher raus, rede nur noch mit Leuten die nett zu mir sind, trage den ganzen Tag Schlabberklamotten und umgebe mich mit Menschen, die mir guttun und mit denen ich etwas auf die Beine stellen kann. Ich setze den destruktiven Menschen Grenzen, ohne zuzulassen, dass sie mich aufregen, und schenke meine Stärke den konstruktiven, offenen, freundlichen Menschen für ein solidarisches Zusammenleben. Ich mache keine Pläne und keine to do Listen. Ich ignoriere das übereinander reden und spreche miteinander. Ich interessiere mich einen Scheiß dafür, was andere von mir denken und wie sie urteilen, ohne mich zu kennen. Ich fühle mich nicht mehr allzuständig für die ach so wichtigen Probleme und widme meine Expertise nur Projekten, die mich wirklich überzeugen. Ich höre auf, gegen Gott und die Welt zu kämpfen, und fülle die Welt mit selbstbestimmter Zärtlichkeit, Zuneigung und Leidenschaft für gemeinsame Erfahrungen. Es lasse los, wenn ich leck mich Idiot denke. Ich zwinge mich nicht mehr zu Geduld, die ich in Wahrheit nicht habe. Und zeige die Liebe, die ich für manche Menschen fühle. Ich umarme, wenn mir nach umarmen ist und wende mich ab, wenn dableiben zu nichts führt. Ich schließe den Schalter, an dem alle quasi immer abrufen können, dass ich funktioniere und dabei auch noch klaglos nett bin.
Ich nehme mir Zeit, Wunden zu lecken, bei mir zu sein, zur Besinnung zu kommen. Ich bin authentisch, wenn ich für mich sein will und authentisch, wenn ich nah bei dir sein will.
Wenn ich rausgehe, rede nur was mir wirklich wichtig ist und atme im Hauptberuf.

Ich nehme mir Zeit, Wunden zu lecken, bei mir zu sein, zur Besinnung zu kommen. Ich bin authentisch, wenn ich für mich sein will und authentisch, wenn ich nah bei dir sein will.
Wenn ich rausgehe, rede nur was mir wirklich wichtig ist und atme im Hauptberuf.

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Freitag, 14. Juli 2017
Katzenhaare
minzstern, 02:33h
Es gibt diese Abende, an denen ich mich frage, warum ich nicht einfach eine Katzenlady werde: ich schmeiß den Fernseher raus, rede nur noch mit Leuten die nett zu mir sind, trage den ganzen Tag Schlabberklamotten und umgebe mich mit Katzenkindern. Denen schaue ich die nächsten sieben Jahre einfach nur beim Wachsen zu. Ich mache keine Pläne und keine to do Listen. Ich schaue keine Nachrichten und interessiere mich einen Scheiß dafür, was andere von mir denken. Ich löse keine ach so wichtigen Probleme, stelle keine Expertise zur Verfügung und versprühe vor allen Dingen keinen Esprit. Ich höre auf, gegen Gott und die Welt zu kämpfen und fülle die Welt mit dem liebevollen Karma gekraulter Katzen, die mir auf die Bauchdecke schnurren. Ich schließe den Schalter, an denen alle quasi immer abrufen können, dass ich funktioniere und dabei auch noch klaglos nett bin.
Stattdessen buddele ich mit einem kleinen Schäufelchen in Katzenklos rum, verteile Futter, sammle Haare und Kotzknäuel auf und damit hat es sich. Wenn ich kraule, schnurrt das Kätzchen – direkt und unmittelbar.
Ab und zu gehe ich dann raus, rede nur was mir gerade in den Sinn kommt und atme im Hauptberuf.

Stattdessen buddele ich mit einem kleinen Schäufelchen in Katzenklos rum, verteile Futter, sammle Haare und Kotzknäuel auf und damit hat es sich. Wenn ich kraule, schnurrt das Kätzchen – direkt und unmittelbar.
Ab und zu gehe ich dann raus, rede nur was mir gerade in den Sinn kommt und atme im Hauptberuf.

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Donnerstag, 25. Mai 2017
extraterrestische Beobachtungen III (Kapitulation)
minzstern, 23:21h
Als klassischer Parvenü genieße ich die rundum-sortiert Angebote der Spezies TagungsSpa unter den Hotelianer. Einmal angekommen muss ich keinerlei Verantwortung übernehmen außer die Essenszeiten zu treffen und mich von den Personalbereichen fern zu halten. Niemand zerrt an mir rum, es gibt keine langen Aufgabenlisten oder Mangel an Zeit für Herzenswünsche, während der Alltag schleppend für Nichtigkeiten draufgeht. Es gibt keine Anrufungen, dies das bis vorgestern zu erledigen, inspirierend zu sein oder genau das richtige Maß an Esprit zu versprühen (bitte auf Kommando sofort und ja nicht zu viel, das könnte anmaßend wirken). Statt dessen werde ich Nutznießerin eines gut durchorganisierten Systems von Dienstleistung und Kundenbindung.
Und ja, ich genieße dies in vollen Zügen. Nach nur 48 Stunden fern der Welt fällt der Schlick aus zu langen Bürostunden, dem Todesstern der meeting-Langeweile, den nie enden wollenden Anforderungen bei stets zu viel Verantwortung auf Basis von ebenso stets zu wenig Informationen allmählich von mir ab. Es ist eine Menschwerdung im mehrfachen Sinne: mein Gesicht darf so entspannt rosa teigig sein wie es will, ich darf schweigen (ein großes Privileg in meinem Beruf), Gifte und Stressdepots versinken in Massageöl und Soleblubberdüsen, meine Haut wird allmählich zart wie Seide, meine verspannten Muskeln geben sich der Schwerelosigkeit hin.
Während ich auf der Treppe stolpere vor lauter Entspannung wird mein Körper wieder ein einziger Körper statt aus den sieben Vorhöllen der Apokalypse zusammengeschustert zu sein: das Fußaua, das Kniezerren, die verkeilten Bandscheiben, die Neuropathie um die Rippen, das Bauchgrummeln, die knirschenden Schultern und der verkeilte Kiefer vom vielen an-mich-halten-um-nicht-zu-schreien. Ich atme durch und fülle mich mit schönen Augenblicken, die die Hotelianer so kundig vorbereitet haben: Sobald es mir gelingt, den Hürdenlauf des modernen Winkelhotelsterns zu bewältigen, werde ich mit Wärme und Bädern in allen Schattierungen und für jede Neigung verwöhnt. Die Magie der Hotelianer wirkt mächtig, als ich feststelle, dass ich auf blauen Himmel mit entzückenden weißen Schafswölkchen blicke, wenn ich mich im Whirlpool lang und breit ausstrecke. Da heißt es einfach nur ausatmen und ja zum Moment sagen. Ein Hoch auf die Hotelianer, die daran gedacht haben, über der Wanne der Wonne auch noch ein Glasdach zu montieren, das zugleich die Freiheit über den Wolken bietet, während alle Muskeln sich dem entspannenden Wabbeln im warmen Wasser hingeben.
Die Hotelianer hauen alles raus, was gekauftes Glück für die Mittelklasse bieten kann: Bäder in allen Varianten, Massagen bei denen ich die Augen geschlossen halte, um ja keine einzige kreisende, ausstreichende und krampflösende Ölung zu verpassen, die mich vom Büroklumpen zu einem entzückten Menschen zurückverwandelt. Sogar die Wiese, in der ich auf Atmen, Wärme und Seidigsein fokussiere, wird vermutlich jede Nacht neu aufgespielt: samtig saftiges Grün, halblang mit Gänseblümchen, dass die Seele lacht. Ich kann nur sagen: ich bin verfallen und weiß jedes Accessoire vom kleinsten Blümchen bis zum größten Strudel zu schätzen.
Andere Leute gehen ins Kloster, wenn sie sich mal wieder so richtig runtergewirtschaftet haben und hoffen, dass noch irgendetwas von ihnen selbst wieder auffindbar ist. Ich gehe ins Spa. Auch dort suche ich nach Stille, Besinnung, innerer Einkehr. Ich entdecke, dass ich einen einzigen Körper habe und nicht nur eine Manson Family of Pain.
Ich bin dankbar für die Wohltaten des Verwöhntwerdens fernab vom alltäglich herrschenden Fight Club. Ich horche in mich hinein, beginne mich selbst wieder zu mögen (Samt, Seide und Lust am Leben!) und merke interessiert, wen ich vermisse, den / die ich in Zukunft natürrrrlich viel besser behandeln und auf meinen seidenweichen Händen tragen will.
Spätestens an Tag drei geht der perfide Plan der Hoteliner auf: Die extraterrestrische Glosse erblüht zur Schwärmerei – die Hotelianer haben mich voll im Griff. Was auch immer wirklich hinter den Messingsäulen und kein-Durchgang-Schleusen vor sich geht, heute will ich es gar nicht wissen. Ich will den Sonnenaufgang hinter meinem Display untergehen sehen, während ich den Geschmack des Fischbuffets, das Geräusch vielfältigen Wasserplätscherns, den Geruch von Wiese und die Haut voller Sonne, Frische und Seide alles Vorangegangene, Gegenwärtige und Zukünftige überlagern lasse. Heute spreche, spüre und lebe ich Hotelianisch, weil gut ist, was sich gut anfühlt.

Und ja, ich genieße dies in vollen Zügen. Nach nur 48 Stunden fern der Welt fällt der Schlick aus zu langen Bürostunden, dem Todesstern der meeting-Langeweile, den nie enden wollenden Anforderungen bei stets zu viel Verantwortung auf Basis von ebenso stets zu wenig Informationen allmählich von mir ab. Es ist eine Menschwerdung im mehrfachen Sinne: mein Gesicht darf so entspannt rosa teigig sein wie es will, ich darf schweigen (ein großes Privileg in meinem Beruf), Gifte und Stressdepots versinken in Massageöl und Soleblubberdüsen, meine Haut wird allmählich zart wie Seide, meine verspannten Muskeln geben sich der Schwerelosigkeit hin.
Während ich auf der Treppe stolpere vor lauter Entspannung wird mein Körper wieder ein einziger Körper statt aus den sieben Vorhöllen der Apokalypse zusammengeschustert zu sein: das Fußaua, das Kniezerren, die verkeilten Bandscheiben, die Neuropathie um die Rippen, das Bauchgrummeln, die knirschenden Schultern und der verkeilte Kiefer vom vielen an-mich-halten-um-nicht-zu-schreien. Ich atme durch und fülle mich mit schönen Augenblicken, die die Hotelianer so kundig vorbereitet haben: Sobald es mir gelingt, den Hürdenlauf des modernen Winkelhotelsterns zu bewältigen, werde ich mit Wärme und Bädern in allen Schattierungen und für jede Neigung verwöhnt. Die Magie der Hotelianer wirkt mächtig, als ich feststelle, dass ich auf blauen Himmel mit entzückenden weißen Schafswölkchen blicke, wenn ich mich im Whirlpool lang und breit ausstrecke. Da heißt es einfach nur ausatmen und ja zum Moment sagen. Ein Hoch auf die Hotelianer, die daran gedacht haben, über der Wanne der Wonne auch noch ein Glasdach zu montieren, das zugleich die Freiheit über den Wolken bietet, während alle Muskeln sich dem entspannenden Wabbeln im warmen Wasser hingeben.
Die Hotelianer hauen alles raus, was gekauftes Glück für die Mittelklasse bieten kann: Bäder in allen Varianten, Massagen bei denen ich die Augen geschlossen halte, um ja keine einzige kreisende, ausstreichende und krampflösende Ölung zu verpassen, die mich vom Büroklumpen zu einem entzückten Menschen zurückverwandelt. Sogar die Wiese, in der ich auf Atmen, Wärme und Seidigsein fokussiere, wird vermutlich jede Nacht neu aufgespielt: samtig saftiges Grün, halblang mit Gänseblümchen, dass die Seele lacht. Ich kann nur sagen: ich bin verfallen und weiß jedes Accessoire vom kleinsten Blümchen bis zum größten Strudel zu schätzen.
Andere Leute gehen ins Kloster, wenn sie sich mal wieder so richtig runtergewirtschaftet haben und hoffen, dass noch irgendetwas von ihnen selbst wieder auffindbar ist. Ich gehe ins Spa. Auch dort suche ich nach Stille, Besinnung, innerer Einkehr. Ich entdecke, dass ich einen einzigen Körper habe und nicht nur eine Manson Family of Pain.
Ich bin dankbar für die Wohltaten des Verwöhntwerdens fernab vom alltäglich herrschenden Fight Club. Ich horche in mich hinein, beginne mich selbst wieder zu mögen (Samt, Seide und Lust am Leben!) und merke interessiert, wen ich vermisse, den / die ich in Zukunft natürrrrlich viel besser behandeln und auf meinen seidenweichen Händen tragen will.
Spätestens an Tag drei geht der perfide Plan der Hoteliner auf: Die extraterrestrische Glosse erblüht zur Schwärmerei – die Hotelianer haben mich voll im Griff. Was auch immer wirklich hinter den Messingsäulen und kein-Durchgang-Schleusen vor sich geht, heute will ich es gar nicht wissen. Ich will den Sonnenaufgang hinter meinem Display untergehen sehen, während ich den Geschmack des Fischbuffets, das Geräusch vielfältigen Wasserplätscherns, den Geruch von Wiese und die Haut voller Sonne, Frische und Seide alles Vorangegangene, Gegenwärtige und Zukünftige überlagern lasse. Heute spreche, spüre und lebe ich Hotelianisch, weil gut ist, was sich gut anfühlt.

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Mittwoch, 24. Mai 2017
extraterrestische Beobachtungen II
minzstern, 22:35h
Irgendjemand hat den Hotelianern berichtet, dass sich menschliche Gäste nicht so wohl fühlen auf langen Krankenhaus-artigen Fluren, in Flughafen-artigen Hallen und in Zimmerfluchten, die wie Schuhkartons aneinandergereiht sind. Da ist der Mensch eben eigen und dem gewieften Hotelianer bleibt keine andere Wahl als das Tagungshotel künstlich zu verschachteln, um die Ecke oder gleich als Halbrund zu bauen. Zudem werden Zwischenwände und bodentiefe Gehänge in jeden zu langen Blickwinkel eingezogen, damit der Gast sich als Mensch fühlen kann ohne sich seiner Grundnatur als Gepäckstück (hotellagernd) bewusst zu werden.
Da Menschen ja auch keine kompletten Trottel sind und zudem über die Geheimwaffe Bürokratie XP 2017 verfügen, müssen die Hotelianer in ihre so kunstvoll verwinkelten Hotelflagschiffe allerdings auch noch Fluchtwege, Serviceräume und Sanitäranlagen für ihr Personal einbauen, weil sie ja nicht zugeben können, dass an Flucht gar nicht zu denken ist und das Personal mangels Erdgebundenheit ja nun nicht unbedingt mit Männlein-Weiblein-Trans-Toiletten ausgestattet werden müsste. Nun, die innerweltliche Legende ist es den Hotelianern eben wert. Stark verschärft hat sich die Raumplanung jedoch, seit den Menschen aufgefallen ist, dass sie ja in einem Spa-Tagungshotel des 21. Jahrhunderts eine weitere Geheimwaffe zum Einsatz bringen können: Barrierefreiheit muss geboten werden – was selbstverständlich richtig so ist. Der einzige Haken ist allerdings, wie zum allmächtigen Gott der gesegneten Dienstleistung in ein künstlich verschachteltes Hotel nun auch noch Rampen und zusätzliche Aufzüge eingebaut werden sollen, ohne den Mythos des Innerweltlichen zu zerstören und ohne den werten Gast dem Wahnsinn anheim zu geben.
Im Service-Sprech der Rezeptionistin klingt das dann etwa so: „Sie wenden sich nach da hinten, fahren mit dem Aufzug bis in den dritten Stock, wenden sich nach rechts, also nach rechts, steigen in den dort befindlichen Aufzug und fahren damit in den fünften Stock zu ihrem Zimmer. Sie können natürlich auch gleich die sechs Stufen hier hinaufgehen, um ihren Aufzug zu erreichen, aber wenn sie dies nicht schaffen, wenden Sie sich nach da hinten, fahren mit dem Aufzug in den dritten Stock, wenden…“ Spätestens hier kapituliert mein menschliches Hörorgan vor dem Sprachmodul der Rezeptionistin und ich wende mich nach da hinten, weil ich immerhin mitbekommen habe, dass ich zwei Aufzüge brauche, um in die von mir bezahlte Schachtel zu kommen.
Diese erweist sich immerhin als großzügig, toskana-creme-farben, verfügt über die erforderlichen Messingapplikationen und ist eigentlich ganz nett, solange ich es schaffe, das Ränn, Brumm, Fiep des 200 Meter entfernten Autobahnzubringers zu ignorieren.

Nun denn, ich bin ja nicht zu Spaß hier, sondern um meinen Job zu erfüllen, also um zu tagen oder mich gefälligst zu erholen. Folgsam verbringe ich die nächsten Tage damit, Treppen, Aufzüge und verwinkelte Gänge mit menschlicher Demut zu würdigen. Dabei bediene ich mich professionell den zahlreichen Wegeschildern, die alle kurz vor der vorletzten Abzweigung enden. Ich bin angemessen beeindruckt, wie viel Aufwand die Hotelianer darauf verwenden, dem Tagungshotel ein menschengerechtes Antlitz ohne lange Gänge, Hallen oder die Offensichtlichkeit reiner Utilität zu verleihen. Also mache ich meinen Teil des Jobs, treppauf, treppab, hierhin und dorthin, Aufzug 1, Aufzug 2, Aufzug 3 – ach neh, der überwindet nur barrieregerecht die Treppen, die ich gerade erst bestiegen hatte.
Mehr als einmal finde ich mich in der Beschilderung interruptus nach einer letzten Kurve vor einer Wand wieder oder stehe vor Zwischentüren auf denen steht: „nur für Hotelgäste“, „alarmgesichert“ und „bitte ziehen“. Ich wähle Hotelgäste, mache mich aber schnell davon für den Fall, dass es sich doch um einen, wenn auch stillen Alarm handeln sollte. So irre ich durch die menschengerechten Verwinkelungen, bekomme so meine Verdauungsspaziergänge gleich mitgeliefert (die Krankenkasse sagt ja: jeden Tag eine halbe Stunde! Allerdings steht hier nirgendwo, welche Krankenkasse das innerhäusige Gassigehen sponsert, vermutlich eine Verschwörung – hoteltrails sozusagen). Ich schweife ab, was bleibt mir auch – ich habe schon wieder keine Ahnung, in welchem Stockwerk ich mich befinde und ob dahinten nun das Frühstück, das Abendessen oder nur eine weitere Wand auf mich wartet.
Da Menschen ja auch keine kompletten Trottel sind und zudem über die Geheimwaffe Bürokratie XP 2017 verfügen, müssen die Hotelianer in ihre so kunstvoll verwinkelten Hotelflagschiffe allerdings auch noch Fluchtwege, Serviceräume und Sanitäranlagen für ihr Personal einbauen, weil sie ja nicht zugeben können, dass an Flucht gar nicht zu denken ist und das Personal mangels Erdgebundenheit ja nun nicht unbedingt mit Männlein-Weiblein-Trans-Toiletten ausgestattet werden müsste. Nun, die innerweltliche Legende ist es den Hotelianern eben wert. Stark verschärft hat sich die Raumplanung jedoch, seit den Menschen aufgefallen ist, dass sie ja in einem Spa-Tagungshotel des 21. Jahrhunderts eine weitere Geheimwaffe zum Einsatz bringen können: Barrierefreiheit muss geboten werden – was selbstverständlich richtig so ist. Der einzige Haken ist allerdings, wie zum allmächtigen Gott der gesegneten Dienstleistung in ein künstlich verschachteltes Hotel nun auch noch Rampen und zusätzliche Aufzüge eingebaut werden sollen, ohne den Mythos des Innerweltlichen zu zerstören und ohne den werten Gast dem Wahnsinn anheim zu geben.
Im Service-Sprech der Rezeptionistin klingt das dann etwa so: „Sie wenden sich nach da hinten, fahren mit dem Aufzug bis in den dritten Stock, wenden sich nach rechts, also nach rechts, steigen in den dort befindlichen Aufzug und fahren damit in den fünften Stock zu ihrem Zimmer. Sie können natürlich auch gleich die sechs Stufen hier hinaufgehen, um ihren Aufzug zu erreichen, aber wenn sie dies nicht schaffen, wenden Sie sich nach da hinten, fahren mit dem Aufzug in den dritten Stock, wenden…“ Spätestens hier kapituliert mein menschliches Hörorgan vor dem Sprachmodul der Rezeptionistin und ich wende mich nach da hinten, weil ich immerhin mitbekommen habe, dass ich zwei Aufzüge brauche, um in die von mir bezahlte Schachtel zu kommen.
Diese erweist sich immerhin als großzügig, toskana-creme-farben, verfügt über die erforderlichen Messingapplikationen und ist eigentlich ganz nett, solange ich es schaffe, das Ränn, Brumm, Fiep des 200 Meter entfernten Autobahnzubringers zu ignorieren.

Nun denn, ich bin ja nicht zu Spaß hier, sondern um meinen Job zu erfüllen, also um zu tagen oder mich gefälligst zu erholen. Folgsam verbringe ich die nächsten Tage damit, Treppen, Aufzüge und verwinkelte Gänge mit menschlicher Demut zu würdigen. Dabei bediene ich mich professionell den zahlreichen Wegeschildern, die alle kurz vor der vorletzten Abzweigung enden. Ich bin angemessen beeindruckt, wie viel Aufwand die Hotelianer darauf verwenden, dem Tagungshotel ein menschengerechtes Antlitz ohne lange Gänge, Hallen oder die Offensichtlichkeit reiner Utilität zu verleihen. Also mache ich meinen Teil des Jobs, treppauf, treppab, hierhin und dorthin, Aufzug 1, Aufzug 2, Aufzug 3 – ach neh, der überwindet nur barrieregerecht die Treppen, die ich gerade erst bestiegen hatte.
Mehr als einmal finde ich mich in der Beschilderung interruptus nach einer letzten Kurve vor einer Wand wieder oder stehe vor Zwischentüren auf denen steht: „nur für Hotelgäste“, „alarmgesichert“ und „bitte ziehen“. Ich wähle Hotelgäste, mache mich aber schnell davon für den Fall, dass es sich doch um einen, wenn auch stillen Alarm handeln sollte. So irre ich durch die menschengerechten Verwinkelungen, bekomme so meine Verdauungsspaziergänge gleich mitgeliefert (die Krankenkasse sagt ja: jeden Tag eine halbe Stunde! Allerdings steht hier nirgendwo, welche Krankenkasse das innerhäusige Gassigehen sponsert, vermutlich eine Verschwörung – hoteltrails sozusagen). Ich schweife ab, was bleibt mir auch – ich habe schon wieder keine Ahnung, in welchem Stockwerk ich mich befinde und ob dahinten nun das Frühstück, das Abendessen oder nur eine weitere Wand auf mich wartet.
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