Donnerstag, 31. März 2022
Stadtgalopp (Gwen 25)
Skye war ganze Tage durch Granadas Altstadt gewankt und stöhnte über ihren höllischen Muskelkater, den sie vom ständigen Auf und Ab der Gassen bekommen hatte. Viel zu lange war sie nicht mehr hier gewesen und genoss es, ihre liebsten Plätze und Ecken wieder zu entdecken. Sie war immer wieder voller Neugier auf Granada, wo sich das halbe Leben draußen abspielte, Musik eine in malerische Hinterhöfe lockte und die Menschen trotz der Touristenmassen freundlich blieben. Im Gegensatz zu Barcelona war der Verkehr hier nicht gar so allgegenwärtig und das Essen wesentlich besser und erschwinglicher. Nichts gegen Barcelona mit vielfältiger Kultur, Stadtstrand und der Neigung zu anarchistischen Untertönen. Skye hatte Barcelonas Trubel und Schönheit bei ihren früheren Reisen durchaus gemocht, aber das Gefühl, an diesem Ort gerne zu Hause sein zu wollen, hatte sie nur in Granada. Skye seufzte nicht zum ersten Mal vor Freude, "wenn Granada auch noch am Meer liegen würde, wäre es kaum auszuhalten".

Sie hatte nach dem knappen Frühstück mit pan de tomate und köstlichem Kaffee mehrere Tage zwischen Kathedrale, Märkten und kleinen verwunschenen Souvenirshops verbracht und die besondere Atmosphäre Granadas zwischen maurischer Geschichte und moderner Kulturvielfalt aufgesogen. Die Alhambra und vor allem deren malerische Gärten sparte sie sich für später auf, angefüllt mit Vorfreude auf die verspielte Schönheit voller Geschichte und Geschichten. In den letzten Tagen war sie mehr als genug gelaufen und kehrte froh erschöpft nach einem Bierchen mit arabischen Tapas abends in ihren Turm zurück.
Wieder bestaunte sie die Alhambra auf dem gegenüberliegenden Hügel und schüttelte den Kopf darüber, dass die spanischen Eroberer nichts Besseres zu tun gehabt hatten als einen Teil der maurischen Festung abzureißen und durch einen vierkantigen, stramm gleichförmigen Klotz zu ersetzen, der bis heute die Schönheit der ausgewogenen, verwinkelten und perspektivreichen Palasträume, Festung und Innenhöfe beleidigte. Trotzdem konnte sich Skye nie am Anblick der roten Festung satt sehen und freute sich darauf, die verschiedenen Palasträume mit ihrer besonderen Symmetrie bald wiederzusehen.

Sie genoss es, sich in Granada einzuleben, als endlich Drax auftauchte. Skye saß abends wieder entspannt auf ihrer Dachterrasse, schaute dem Sonnenuntergang rund um die Alhambra zu und vergaß zu atmen, als sie in diesem roten Licht einen Schatten entdeckte, der sich aus Richtung der Berge auf sie zu schlängelte. Skye schloss und öffnete ein paar Mal die Augen, bis sie sicher war, dass dort tatsächlich Drax auf sie zukam. "Huiih", hörte Skye. "Guckstu, wie gut ich fliegen kann! Huiih, hier ist viel wärmer als in den Bergen. Aufwind, huuih", war Drax zu hören, während es noch ein paar Schleifen über der Stadt flog.

Eilig räumte Skye die Stühle und den Tisch auf ihrer Terrasse beiseite und brachte ihr Weinglas in Sicherheit. Besorgt schaute sie, wie Drax in rasendem Tempo auf sie zukam, es sich aber im letzten Moment noch anders überlegte und eine weitere Runde flog. "Hast du gedacht, ich krieg das nicht hin und flieg dich um?", kicherte Drax, als es endlich mit nur ein bisschen Gerumpel gelandet war. "Klasse Turm", merkte Drax dann noch an, "Hast du Cracker?". Selbstverständlich hatte Skye Cracker besorgt und so erzählten sie sich während der blauen Stunde im Angesicht der Alhambra, was sie erlebt hatten, als sie während der Anreise nach Andalusien zum ersten Mal seit Drax´ Geburt getrennt gewesen waren.

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Mittwoch, 23. März 2022
Heimkommen im Süden (Gwen 24)
Skye schaffte es mit einiger Mühe die vielbefahrene Gran Vía de Colón zu überqueren und sich in eine Nische zu zwängen, um trotz des Straßenlärms in ihrem Hostel anzurufen. Zum ersten Mal wohnte sie diesmal direkt im Albaicín, dem alten arabischen Viertel von Granada mit seinen verwunschenen Gassen, weißen Häusern und blühenden Gärten. So müde wie sie nach dem Flug war, wollte sie nicht mit ihrem Gepäck durch die steilen Gassen irren und ließ sich abholen. Das erwies sich als klug, aber auch abenteuerlich, als der Fahrer mit seinem dreirädrigen Gefährt in einem Wahnsinntempo die Gassen hochknatterte und dabei um Haaresbreite nicht mit den Häuserecken und anderen Fahrzeugen zusammenstieß. Skye versuchte nach vorne zu schauen und nicht zu genau auf die vielen von Autos beschädigten Fassaden und Blumenkästen zu achten.

Im Hostel wurde sie herzlich empfangen, bekam eine Straßenkarte und bewältigte die letzte Anstrengung ihrer Reise: eine steile Treppe hinauf, durch eine enge Tür, die in einen winzigen Flur und zum verlockend großen Bad führte. Als Skye gerade anfing sich zu wundern, wie dunkel das Apartment war, wurde sie eine weitere sehr steile Treppe hinaufgeführt und war endlich angekommen. Sie hatte das "Turmzimmer" gemietet und fand sich sofort entschädigt für alle Strapazen: Das Zimmer lag wirklich in einem Turm, der sich einzeln stehend über der Terrasse des Hostels erhob. Das Bett nahm fast den gesamten Turm ein, und sie konnte vom Bett zu drei Seiten aus durchgehenden Fenster das Viertel Albaicín, die Berge der Sierra Nevada und die Alhambra sehen. Die Alhambra!!

Von ihrem Turm aus führte ein schmaler Steg über das Dach zu einer eigenen kleinen Dachterrasse und da stand sie nun mit offenem Mund: Über das Tal hinweg konnte sie die Alhambra auf dem gegenüberliegenden Hügel sehen. Die alte Festung schwebte mit ihren Türmen, Zinnen und Erkern festlich beleuchtet vor dem blauschwarzem Sternenhimmel. "Hier möchte ich nie wieder weg", dachte Skye, entkorkte eine Flasche Rotwein, atmete die Mischung aus Stadtluft, Jasmin und Bourgainvillen ein und wollte nur das: nachts im Freien auf die Alhambra und den Himmel schauen, während sie sich fragte, wie es wohl Drax gerade erging.

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Mittwoch, 16. März 2022
Sardine im Anflug (Gwen 23)
Skye spürte ihre Beine kaum noch und versuchte, sich in ihrem Sitz zu strecken, der so gut wie keine Bewegung zuließ. Ihre Knie stießen an die Lehne des Vordermanns, das pappige Mittagsessen klemmte im Magen fest und ihre linke Armlehne wurde unbeirrt von einem nach After Shave miefenden Businessmann belagert, der vermutlich nicht mal merkte, dass die Lehne zu beiden Sitzen gehörte, weil er einfach daran gewöhnt war, dass alles in seiner Reichweite seins ist. Den rechten Arm wiederum musste Skye krampfhaft bei sich behalten, besonders ihren Ellenbogen, der schon mehrfach schmerzhaft Bekanntschaft mit den Duty-Free-Wagen und schwankenden Toilettengänger*innen gemacht hatte. Am liebsten hätte sie mit allen vieren mal durch das Flugzeug randaliert, um die Durchblutung in Gang zu bringen und dieses elende Gefühl loszuwerden, für viel zu viel Geld in viel zu wenig Raum eingepfercht zu sein.

Endlich wurde zur Landung angesetzt und Skyes Ohren schlossen sich trotz ihres intensiven Durchkauens von drei Kaugummis. Entsprechend wankte sie reichlich benommen mit der Schlange der aussteigenden Passagiere nach vorne, durch die Gangway, über den nach Kerosin stinkenden Flugplatz in den Gelenkbus, der sie schaukelnd und ruckelnd an das eigentliche Gate brachte. Immerhin reichte ihr vernachlässigtes Spanisch, um die richtigen Ausgänge und das Gepäckband zu finden. Ihre Beine erwachten langsam wieder zum Leben ebenso wie ihr Handy, das sich widerstandslos ins spanische Netz einsortiert hatte.
Ihre Laune hob sich schlagartig, als sie mit ihrem Gepäck den Flughafen verließ und endlich diese weiche andalusische Luft einatmete. Nun gut, es stank immer noch nach Kerosin und warmem Beton, aber darunter lag ein Hauch von Sauerstoff, trockener Erde und Pflanzen. Sie zog ihre Maske runter, atmete zum ersten Mal seit 10 Stunden ungefilterte Luft, ließ sich die Abendsonne auf ihr Gesicht scheinen und gab sich ganz der kitschigen Freude beim Anblick der ersten Palmen hin.

Obwohl sie Jahre nicht mehr in Granada gewesen war, erinnerte sie sich, wo der Bus in die Stadt abfuhr. Der kam auch ziemlich bald und wie jedes Mal in diesem Bus wusste sie zwar, dass die Fahrt fast 40 Minuten dauern würde, war aber dennoch nervös, ob sie die richtige Haltstelle rechtzeitig erkennen würde. Nach vielen Wendungen über die Stadtautobahn, durch sterile Vororte und in diversen palmenverzierten Kreiseln erreichte der Bus die Altstadt. Skye erkannte Denkmäler und Kreuzungen wieder, aber in ihrem Kopf passte die Erinnerung an die Entfernungen und die Reihenfolge der markanten Punkte nicht so recht zu dem, was sie vom Bus aus sah.

Prompt erkannte sie erst beim Halten die Gran Vía de Colón und musste sich nun doch hektisch mit ihrem Gepäck durch müde Einheimische und verpeilte Touristen zwängen: Aber sie war da! Granada roch und klang genauso, wie sie es in Erinnerung hatte mit all den Motorrollern, Orangenbäumen und dem besonderen Geruch von warmem, altem Gemäuer.

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Donnerstag, 10. März 2022
blog or not to blog
Ich übe, fast jeden Tag, Anspannung rausnehmen, Fightlevel senken, Raum geben für das, was da noch sein mag oder kommt oder auch nicht.
Das mag Muße sein oder bloß Ausruhen, genaues Spüren oder bloß Entspannung, bewusstes Sein oder bloß abhängen... Ich übe und schaue, was da irgendwie verschüttet in mir drin sein mag oder auch nicht. Herausfinden, ob da "mehr" ist, kann ich nur jenseits von to-do-Listen, Lärm und Erklärungen.

Wenn ich also dieser Tage eher still bin, ist das manchmal ein gutes Zeichen. Dann bin ich runter von der Bühne und gucke was hinter den Kulissen, Vorhängen und Drehbüchern noch sein könnte.

Ich weiß nicht, ob ich im Moment so weit bin, wieder regelmäßiger zu schreiben, zuzuspitzen was ich "da" erlebe, aber warum nicht? Ich bin intensiver, wacher, aufmerksamer als vor 18 Monaten. Vielleicht entsteht eine Art blog über die Reise, aus dem bloßen Funktionieren herauszufinden und dieser verworrenen aber sich richtig anfühlenden Spur zu "mehr" zu folgen. Ich mag keine Pflicht daraus machen; vielmehr habe ich eine Art date mit mir selbst, etwa einmal in der Woche diesen meinen blog zu füttern - wir werden sehen...

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Freitag, 4. März 2022
misfit blog
Lange hab ich so gelebt: engagiert, kompetent, verbindlich, verlässlich. Alles gut und richtig, aber doch hab ich oft den Panzer aus Funktionieren und es recht machen schmerzhaft gespürt - all die Fesseln und Erwartungen, die mir nachts den Schlaf rauben und mich tags im Stechschritt durch die nie endenden To-do-Listen marschieren lassen. Zwo, drei, vier, auh, hinfallen, Helm richten und weiter, zwo, drei, vier...

Seit einiger Zeit marschiere ich nicht mehr richtig, quasi nur in Teilzeit. Marschiere ich zu viel, werde ich an Körper und Seele krank - so krank, dass auch der Marschschritt nicht mehr klappt. Ich versuche zu lernen, den Pflichten zu geben, was die Pflichten brauchen, und dabei dennoch "etwas" zu beschützen, das mich mehr kennenlernen, mich über mich wundern und bewusst wahrnehmen zulässt.

Ich möchte lernen, mit mir selbst weicher, ganzer, friedlicher zu werden. Ich spüre, etwas "richtigem" auf der Spur zu sein, auch wenn ich mich leider immer noch dann und wann frage, ob ich das überhaupt darf: so innerlich, so suchend, so still und misfit, so fremdelnd mit mir selbst und neuen, wunderlichen Facetten zu sein, während ich nach einem Kennenlernen von etwas "anderem", authentischen taste.

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Dienstag, 1. März 2022
Blog im Dazwischen
Funktionieren war einfacher, sichtbarer, vertretbarer, aber ein harter, überstrapazierter und schon lange nicht mehr ertragbarer Teil von mir. Schmerz, Fluchten, Sehnsucht und Stürze haben mich lange gemahnt, dass Funktionieren nicht alles ist, dass ich so nicht weitermachen kann und will. Allmählich erst beginne ich zu verstehen, wie viel Gewalt ich mir selbst angetan habe und antue.

Es ist so leicht zu sagen: ich habe nur ein kostbares Leben. Es ist dann aber gar nicht leicht, mich zwischen all den Aufgaben, Ansprüchen, Anrufungen, Pflichten und Erwartungen wieder ruhiger und aufmerksam werden zu lassen.

Ich bin gerne gut in meinem Job (wenn sie mich denn lassen). Ich gestalte gerne, mache gerne die Welt ein Stückchen besser und finde, bei allen Privilegien sollte ich das auch tun. Nur mal kurz die Welt retten, 180 Mails checken und dann vielleicht, dann höre ich mir mal zu, was ich sonst noch sein könnte, brauche und mag - eine bisher oft endlose Schleife, in der ich mich schon so oft verheddert habe und aus der ich mich in guten Momenten heraus zu tasten versuche.

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Mittwoch, 23. Februar 2022
New blog back in town
Achtzehn Monat Stille in diesem blog - so viele Monate, in denen mir viel eingefallen wäre, aber zu schreiben nicht gelang. Gründe dafür gab es viele: Lohnarbeit, die den Geist tötet; Schlaflosigkeit, die die Kreativität tötet; Corona (bloß nicht auch noch selbst zur Kakophonie beitragen); Wechseljahre (oder was auch immer dafür gehalten wird); zu viel zu regeln, zu viel dies, zu viel das, zu viel zu viel; im Ganzen also: Kopf-, Glieder- und Seelenschmerzen mit trotziger Sehnsucht nach etwas irgendwie anderem, nach mehr Leben, nach mehr Meer, nach mehr von mir, in mir, mit mir.
Dieses "andere" hab ich bisher nicht gefunden, aber doch manchmal eine zarte Ahnung, dass es da mehr "ich" gibt, mehr kostbares, lebenswertes und liebenswertes. Über Effizienz, Kämpfen, Funktionieren und Spannungskopf-schmerz hinaus ahne ich etwas, das sich lohnt. Ich übe: langsamer machen, Multitasking verlernen, Termine aus dem Kalender kehren, dem Zarten und oft Leisen nachspüren, zulassen die Antwort oder gar das Ergebnis nicht zu kennen und - am allerschwersten - nicht bewerten, wo das hinführen könnte, was es nützen könnte, was die oder der dazu sagen könnte.
Ich übe, was heißt, dass ich das nicht gut kann und dass ich nach Worten ringe, die für mich und am besten auch für andere Sinn ergeben. Ich weiß nicht, ob ich "das" je lernen werde und ob mich "das" dann weiterbringt, ich spüre aber, dass ich auf einem seltsamen, guten Weg bin.

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Samstag, 5. September 2020
Reisefieber (Gwen 22)
„Jaa, ich weiß, dass ich zwei Wochen in Quarantäne muss, wenn ich aus Spanien zurückkehren will“, maulte Skye zum wiederholten Mal, während sie versuchte, einen Flug nach Spanien mit offenem Rückkehrdatum zu buchen, für den kein völlig astronomischer Preis verlangt wurde. Seit Tagen suchte sie sich durch Internetseiten, telefonierte und fluchte. „Wie bin ich da nun wieder reingeraten?“, fragte sie sich, ebenfalls nicht zum ersten Mal.

Gwen hatte ihr am Abend des entspannten Tags am See unmissverständlich zweierlei klargemacht: Skye musste mit nach Granada, da sie die engste Bezugsperson von Drax war und die anderen Drachen sehen musste, dass Skye eine freundliche und vor allem sehr harmlose Person war, die keinesfalls Drax zu einem Spion der Menschen und Feind der Drachen erzogen hatte. Außerdem konnte Skye nicht mit den Drachen über die Pyrenäen fliegen. Vereister Mensch am Stiel fand vielleicht früher noch Abnehmer, aber heutzutage bliebe man als Drache darauf sitzen. Außerdem solle Skye ja auch zu den Drachen sprechen, stellte Gwen klar.

Skye konnte sich gar nicht entscheiden, was an diesem Plan am allerfurchtbarsten war: Mit Maske im Zug und Flugzeug eingepfercht sein, schlimmstenfalls unter Leuten, die immer noch leugneten, dass ein Virus, der in nicht mal einem Jahr fast 1 Million Menschen getötet hatte, vermutlich doch existierte. Die wollten dann partout auch nicht einsehen, dass die Maske als minimalste Rücksichtnahme für andere Menschen nicht unters Kinn, unter die Nase, in die Hosentasche oder auf den Tisch, sondern vor ihr eigenes Gesicht sollte. Hinzu kam, dass für diese Reise ihr kompletter Resturlaub vom letzten und diesem Jahr plus alle ihre ohnehin nicht großen Ersparnisse draufgehen würden. Sie hatte sich auf das Ernten von Kartoffeln und Tomaten, auf das Einwintern ihres Gartens, gemütliche Abende mit Drax auf dem Sofa und die ersten Lebkuchen gefreut. Stattdessen stand ihr eine 11 stündige Reise bevor zu einem Abenteuer mit unbekanntem Ablauf und der luftabschnürenden Aussicht, vor einer unbekannten Anzahl von Drachen auftreten und über was auch immer sprechen zu sollen.
Skye fluchte vor sich hin im Bemühen sowohl einen Flug als auch binnen weniger Tage einen mehrwöchigen Urlaub vom Chef zu ergattern. Aber immer wenn Skye Drax ansah, das wuchs, Gwen anhimmelte und ganz kieksig war vor lauter Aufregung, wusste sie genau, dass sie Drax nicht im Stich lassen würde. Sie war Teil dieses Abenteuers, allen Unannehmlichkeiten zum Trotz.

Folglich lächelte sie da nur noch milde, als Drax die mit Gwen entwickelte Einkaufsliste für die Reise diktierte:
- Cracker (süß und salzig)
- Kaffee (Instant und richtigen)
- Wein (trocken)
- größere Schubberbürste
- Massageöl
- Magnesium
- Socken.
„Socken?“, fragte Skye verwirrt. „Klar“, sagte Drax „Glaubst du ich kann mit kalten Füßen einschlafen, wenn in der Sierra Nevada Schnee liegt?!“ Skye begann zu ahnen, dass ihr Plan, endlich mal wieder in Ruhe durch Granada zu spazieren, nur eingeschränkt funktionieren würde, weil sie die meiste Zeit den Muskelkater von Drax massieren und für Leckereien sorgen würde. Während Sie also in Kindermützen Gummizüge für Drax „Socken“ einnähte, vergaß sie fast, dass sie selbst ja auch Gepäck brauchte. Sie hatte ohnehin keine Ahnung, was da auf sie zu kam. So spät im Jahr war sie auch noch nie in Spanien gewesen: War es Mitte September noch warm? Regnete es? Trafen sich die Drachen auf verschneiten, eisigen Gipfeln? Oder gab es bei diesen Treffen sowas wie Feuertonnen? Das einzige was sie wusste, war, dass es nächste Woche los ging, um rechtzeitig zur Jahreszeitenwende im Gebirge bei Granada zu sein…

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Montag, 17. August 2020
Aus-Flug (Gwen 21)
„Hattest du schon Flugtraining?“ fragte Gwen bei Skye nach. „Ich kann ganz toll fliegen“, quakte Drax dazwischen und hielt gleich wieder den Mund, weil Gwen das natürlich wusste und Drax es überhaupt nicht nötig hatte, auf seine Fähigkeiten hinzuweisen. Während Drax ganz cool den kleinen Fauxpas überspielte, klappte Skye die Kinnlade runter: „Ich? Fliegen? Also was? Neh, Flugzeuge ja, mag ich aber nicht besonders. Also wie, was“, stotterte Skye. Gwen schüttelte den Kopf „Als ich hier ankam, hast du auch so gestottert. Ich dachte aber, dass liegt am Wein. Anscheinend stotterst du aber auch nüchtern und im Sommer, nun ja.“ Skye war mal wieder sprachlos, weil diese Drachen nie daran dachten, dass sie keinen Zugang zu deren kollektivem Gedächtnis hatte und daher immer wieder keine Ahnung hatte, worum es gerade ging und was für die Drachen vollkommen klar war.
„Wir üben morgen“, sagte Gwen in betont beruhigendem Ton. Das beruhigte Skye aber in keinster Weise, da Gwen keine weiteren Erklärungen folgen ließ, wie Skyes Flugtraining aussehen sollte.

Am nächsten Morgen torkelte Skye daher reichlich übermüdet und nervös in die Küche und überlegte, ob es wohl besser wäre, gar nicht erst Kaffee zu trinken oder zu frühstücken. Obwohl sie früh auf war, traf sie die beiden Drachen in der Küche an, die sich schon durch einen Berg aus Brötchen, Crackern, Käse und Tomaten futterten. Auf Gwens Blick hin wankte Skye widerstandslos zum Herd, brühte Espresso und war froh, dass die Drachen wenigstens an den Kaffee nicht selbstständig herankamen. Kühlschranktüren, Backofen und andere Vorräte stellten jedenfalls keine Hindernisse mehr dar, seit Gwen da war und Drax die Barten besser unter Kontrolle hatte.
Als alle Chancen zum Trödeln ausgereizt waren, verließen die drei die Wohnung und hielten auf einem der abgeernteten Felder an. „Du fliegst erstmal mit mir. Da wird dir weniger schlecht als auf Drax, das ja mehr hin und her zappelt“ verkündete Gwen. Drax guckte zwar reichlich beleidigt, erhob aber keine Einwände. „Aber wiiie“, hechelte Skye leicht hysterisch, kletterte dann aber auf das angewinkelte Bein von Gwen. Von dort hangelte sie sich über Gwens Schulter bis in ihren Nacken. Sie war immer neidisch gewesen, wenn Drax so leicht und froh über ihrem Motorrad durch die Lüfte geflogen war. Nun konnte sie das also selbst ausprobieren. Trotz Grummeln im Magen freute sie sich darauf, auch wenn der uncoole Teil in ihrem Inneren sich fragte, wie sie möglichst wenig unelegant später wieder von Gwen herunterkommen sollte.

Skyes Denken trat schlagartig in den Hintergrund als sie spürte wie Gwen ihre Muskeln anspannte und sich aus dem Stand in die Luft erhob. Skyes Magen machte einen Satz und sie fixierte einen Punkt hinter Gwens Kopfhörnern. Ihr wurde fast sofort übel und sie stellte entsetzt fest, dass sie sich am Boden nicht so richtig überlegt hatte, woran sie sich denn eigentlich festhalten sollte. Also schmiegte sie sich so eng wie möglich an Gwen, krallte ihre Hände in Gwens Flokatifell und versuchte ruhig zu atmen. Gwen flog möglichst ruhige Kreise, so dass sich Skye langsam ein bisschen entspannte, den Wind in ihrem Gesicht genoss, schließlich die Beine etwas lockerte und in die Landschaft schaute. Die Aussicht auf die rapsgelben und korngrünen Felder, die roten Dächer der Stadt und den Wald am Horizont war großartig. Ihr war übel, aber das Fliegen war sensationell, solange sie langsam und konzentriert atmete. Gwen landete schließlich wieder auf dem gleichen Feld. Skye bedauerte es, wieder am Boden zu sein, rutschte an Gwens Fell herab und plumpste prompt unsanft auf den Boden, weil ihre eingeschlafenen Beine unter ihr wegsackten. Sie atmete tief aus und ein, während sie da im Dreck saß und ihr immer noch speiübel war. "Das ging doch so weit schon ganz gut", ermutigte sie Gwen. Im Hintergrund hörte sie Drax verstohlen kichern.

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Dienstag, 11. August 2020
Umweltzerstörer (Gwen 20)
In früheren Zeiten hatten sich die Drachenfamilien sehr häufig getroffen. Dann aber machte sich der Mensch breit, grub Löcher in die Erde, verseuchte Flüsse und Meere mit Plastik, Gülle und Öl, stellte Städte in die schönsten Versammlungsplätze der Drachen und kletterte sogar auf die höchsten Berge, die noch lange den Drachen vorbehalten geblieben waren. Die Meere und Seen waren heute eine Kakophonie von Motorenlärm, überall schwamm Plastik herum und Kreuzfahrtschiffe lösten schweres Asthma aus. Unter den Drachen tobte nun schon seit Jahrhunderten ein Streit, ob den Menschen weiter erlaubt bleiben sollte, die Erde für die Drachen und schließlich auch für die Menschen unbewohnbar zu machen. Gwen schüttelte unmutig den Kopf, während sie sich über die Ignoranz der Menschen ereiferte: keine der zahlreichen Katastrophen hätte dauerhaft eine Umkehr gebracht. Oder die Verbesserungen wären nur regional gewesen: da könnte man heute im Rhein wieder schwimmen und zeitgleich versänken Nigerias Gewässer im ausgelaufenen Öl der Raffinerien. Gwen schnaufte: „Also, worauf ich hinauswill: Früher gab es zweimal im Jahr große Treffen der Drachen in bestimmten regionalen Zentren, während sich die engeren Clans jeden Vollmond vor Ort trafen. Das war herrlich, bei Vollmond die Winterdrachen am Nachthimmel kreisen zu sehen, Neuigkeiten auszutauschen und zu entscheiden, zu welchem Regionaltreffen wir fliegen werden.“

Gwen schüttelte sich, seufzte erneut und stellte klar, dass es nach wie vor einige Treffen gäbe, die für jede*n Drachen unverzichtbar wären. Das galt für einen Drachen wie Drax, der nicht mit anderen Drachen aufgewachsen war, natürlich umso mehr. Drax müsste sich an die Gepflogenheiten der Drachen gewöhnen und am Jugendritual aller Drachen teilnehmen. „Wir fliegen also alle zusammen zum nächsten Jugendritual am Sommerende nach Granada“, schloss Gwen ihre Erzählung fürs Erste. Während Drax mit leuchtenden Augen Gwen anstarrte, fing Skye an zu stottern: „Moment mal. Wer ist Wir? Und so bald schon? Wie soll ich das denn organisieren? Nehmt ihr mit überhaupt mit? Und was tue ich dort, führe ich Drax zum Altar oder was? Und Granada? In Spanien? Fliegen? Etwa auch ich? Ich steige doch in keinen Flieger mitten in der Pandemie!“, Skye holte Luft und merkte selbst, dass sie klang wie eine ihrer nervösen Tanten.
Gwen wartete geduldig ab, bis Skye wieder ruhiger atmete. „Es wird sich alles finden,“ antwortete Gwen, „Eines ist aber klar. Wir müssen nach Granada und wir müssen bis Mitte September dort ankommen. Und jetzt brauch ich Bewegung“. Gwen stand auf, schüttelte Cracker von sich ab und rumpelte durch den Flur Richtung Ausgang. Drax sprang sofort auf, hüpfte ganz unseriös vor Aufregung herum und rief: „Komm schon, komm, wir gehen raus.“

Skye beeilte sich in ihre Schuhe zu kommen und lief hinter den beiden Drachen her. Immerhin flogen die beiden nicht gleich auf, sondern liefen zu fuß mit ihr durch die Felder. Zwei Drachen und ein Mensch verbrachten einen fast normalen Familienausflug an einem heißen Sonntagnachmittag, liefen durch die Felder und genossen den Ausblick auf den blauen Himmel. Gwen wirbelte pustend Strohreste auf den sonnengelben Feldern auf. Drax nagte vorsichtig an den Maiskolben, spuckte die aber gleich wieder aus, weil sie noch hart und gar nicht süß waren. Skye hingegen schwitzte und war froh als sie endlich am See ankamen. Sie suchten sich eine halbwegs unbevölkerte Ecke, rutschten am Schlammufer herab und plumpsten alle drei genüsslich in den See. Die anderen Menschen fragten sich, welcher Riesenfisch diese merkwürdige Welle ausgelöst hatte, und zogen sich näher ans Ufer zurück. „Mehr Platz für uns“, grinste Gwen und schüttelte die Seepflanzen ab, die sich um ihren Kopf verfangen hatten. Sie plantschen herum und Drax zog sogar Skye durch das Wasser, bis sie froh und herrlich erfrischt vor sich hin lachte.
So abgekühlt und entspannt warfen sie sich schließlich ans Ufer, ließen Wasser von sich herablaufen und knabberten weitere Cracker. Gemütlich guckten sie den Menschen bei ihrem Treiben zu, die unerklärliche Wellen und Wirbel der Drachen ignoriert hatten, weil sie sie nicht einordnen konnten. „Wie Fernsehen, nicht wahr?“, grinste Gwen mit Blick auf die wuselnden Menschen, die kreischend im Wasser herumtobten oder auf Luftmatratzen in Form von Einhörnern, Delphinen, Donuts und sogar einer Bratwurst vor sich hin dümpelten.

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Sonntag, 9. August 2020
Kaffeetratsch mit Drachen (Gwen 19)
„Drax, drängel doch nicht so“, nörgelte Skye und schlief wieder ein. Stunden später streckte sie sich mit knackenden Knochen und versuchte, ihre Hand unter Drax hervor zu ziehen. Der gar nicht mehr so kleine Drache hatte sich nachts offensichtlich in ihr Bett gemogelt. Skye lächelte, weil das nicht mehr oft vorkam. Drax grinste frech, öffnete schläfrig die Augen und fragte: „Ist Gwen auch schon wach?“ „Gweeeen?“ quiekte Skye, rappelte sich aus dem Bett hoch und torkelte rüber zu Drax Sofa. Dort schnarchte ein Berg aus Fell. Ein Fuß hing vom Sofa runter und zuckte im Traum vor sich hin. Skye konnte einen ausgiebigen Blick auf Gwens beindruckende Krallen und Beinmuskeln werfen. Noch leicht verschlafen tapste Skye ins Bad. Die Zahnbürste im Mund kreisend ging sie zurück zum Sofa und starrte Gwen lange an. Zum Glück hatte sie sicherheitshalber eine Familienpackung Cracker besorgt und drapierte die nun mit Nüsschen und drei Kaffee auf einem Tablett. Ob Gwen überhaupt Kaffee trank? Das konnte ja spannend werden…

Stunden später rumpelte Gwen durch den Flur. „Deine Wohnung ist einfach zu eng“, grummelte sie „Gibt es Kaffee?“. „Guten Morgen“, betonte Skye und stand seufzend auf, um frischen Kaffee zu brühen. Mit drei neu gefüllten Tassen ausgerüstet (einmal mit Schaum, zweimal wenig Milch, da Skye hoffte, dass Gwen ihren Kaffee genauso wie Drax mochte) blieb Skye abrupt stehen und bestaunte die beiden Drachen in ihrem Wohnzimmer: Gwen lag ausgestreckt auf dem Sofa und starrte Drax fragend an, das versuchte, sich auf dem Boden möglichst groß zu machen. Beide gaben keinen Laut von sich, schauten sich an und wendeten schließlich zeitgleich ihre Köpfe Skye zu. „Oh Kaffee,“ gab Gwen in ihrem tiefen Bass von sich, während Drax das gewohnte, fröhlich „Kaffee, Kaffee, Kaffee“ herausrutschte, was Drax sofort sichtlich peinlich war. Skye und Gwen grinsten über ihr Lüttes, das versuchte cool auszusehen und ganz lässig auf das Heißgetränk pustete. Skye vermutete, dass es gar nicht so einfach war, Auge in Auge mit der riesigen, unbekannten Mutter heißen Kaffee zu trinken, ohne die Barten einzutunken oder zu kleckern. Skye konnte selbst im Beisein von Fremden ohne kleckern nicht mal Salat essen und lächelte Drax halb spöttisch, halb mitfühlend an. Gwen trank, weiterhin schweigend, in Ruhe ihren Kaffee, als wäre ihr Auftauchen nach Monaten ganz und gar nichts Ungewöhnliches.

Schließlich stellte sie ihre Tasse betont ruhig ab und fing endlich an zu sprechen: „So, hallo also. Zunächst mal: Kaffee trinke ich bevorzugt schwarz, konntest du ja nicht wissen“, Gwen grinste diabolisch. Skye schnaufte leise, holte die Cracker und stellte die geöffnete Packung kommentarlos vor Gwen auf den Tisch. „Danke“, grinste Gwen weiter, „so also“, setzte sie an, während sie sich Cracker ins Maul schob und nuschelte weiter: „Drax ist groß genug, um in die Familie aufgenommen zu werden. Du kannst jetzt aufhören, die Luft anzuhalten, Drax, es reicht, wie groß du bist, ohne dass du dich aufpumpst.“ Drax gab ein hörbares Seufzen von sich, obwohl es sich bemühte, genau dieses Geräusch zu vermeiden. Es saß nun wie ein kleiner Plüschdrache vor der riesigen Gwen, was Drax sichtlich unangenehm war. Skye schaute abwechselnd Gwen und Drax an und versuchte zu begreifen was gerade geschah. Gwen begann zum ersten Mal zu erzählen, dass es heutzutage leider nur noch sehr wenige Drachen auf der Erde gäbe, vor allem Winterdrachen. Die Welt sei im Laufe der letzten drei Jahrhunderte zu voll, zu stickig, zu warm, zu verbaut und zu kompliziert geworden. Trotz perfekter Tarnung gelänge es den Drachen immer weniger, genug Lebensraum, Nahrung und Plätze für ihre Rituale zu finden, bei denen sie sich mit anderen Drachen treffen und ihre Energie erneuern könnten. Da die Drachen leider selten zusammenarbeiteten, kümmerte sich jede*r vor allem darum, gegen die anderen einen Anteil von den knapper werdenden Ressourcen zu bekommen. Gwen hätte sich daher entschlossen, Drax in die Obhut von Skye zu geben, die einen recht freundlichen Eindruck machte und eine ausreichende Neigung zu gutem Essen, Trinken und viel Kuscheln hätte. „Hat ja auch ganz gut geklappt“, grinste Gwen weiter. Skye rutschte unruhig in ihrem Sessel herum, versuchte den seltenen Redefluss von Gwen nicht zu unterbrechen und sorgte sich, was nun als nächstes auf Drax und sie zukommen würde.

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Mittwoch, 5. August 2020
Verwegen (Gwen 18)
Skye bürstete Drax weiter, bis es ganz entspannt und zufrieden war. „Bist du aufgeregt, weil Gwen bald kommt?“ fragte Skye. Drax hob schläfrig ein Auge und murmelte „Na klar, schließlich hab ich meine Ma noch nie gesehen. Erzählst du mir von ihr?“. Skye lächelte und kuschelte sich an Drax: „Also, Gwen hab ich ja auch nur zweimal gesehen. Sie ist sehr groß, sehr beeindruckend, hat dichtes weiches Fell, das perlmuttartig schimmert.“ „Wie Flokati?, fragte Drax. „So ähnlich wie Flokati, nur weicher. Das solltest du vielleicht in ihrem Beisein nicht unbedingt erwähnen. Da ist sie etwas empfindlich. Sie hat große schwarze Augen, ganz tief, so dass mir beim Reingucken ganz warm und schwindelig geworden ist. Sie weiß genau, was sie will, genau wie du, nur dass sie dabei immer sehr geheimnisvoll wirkt. Sie mag übrigens Wein und Cracker. Sie passt grad so auf dieses Sofa hier. Und es ist ihr sehr schwergefallen, dich allein zu lassen.“

„Schön, schön“, murmelte Drax, „Du liegst übrigens auf einem meiner neuen Bartfäden.“ Skye schreckte hoch: „Oh, Verzeihung. Tut das weh? Also sind die Barteln empfindlich?“ „Nöh“, nuschelte Drax immer noch halb verträumt vom Kuscheln, „Die sind mehr so für Luftdruck, Himmelsrichtung, Entfernung, Temperatur und so.“ „Eine eingebaute Wetterstation“, kicherte Skye, „Das ist ja praktisch.“ „Ich probier noch rum, wofür diese neuen Dinger gut sind. Beim Spaghetti essen sind sie ziemlich lästig. Aber findest du nicht, dass sie beim Profil verschönern? Ich sehe ganz schön verwegen aus damit“, grinste Drax, „Sie haben eben übrigens auch deinen Puls gemessen. Du bist auch mächtig aufgeregt wegen Gwen, oder?“ fragte Drax.
Skye schaute sich fasziniert Drax neue Barteln an, die dem Drachen wirklich ein wildes Aussehen verliehen. Sie waren doppelt so lang wie der Kopf und eine der wenigen unbehaarten Stellen an Drax zur Zeit etwas plüschigen Körper. Sie schimmerten dunkler als das Fell, eher grünlich mit blau. Meist hingen sie entspannt herunter, aber Drax konnte sie offensichtlich auch bewusst bewegen und probierte ausgiebig aus, was die Barteln so konnten. Jetzt hob es eine Bartel und legte sie auf Drax Handgelenk. „Sehr aufgeregt bist du.“, murmelte es und grinste, zumindest so lange, bis es bemerkte, dass die zweite Bartel sich selbstständig gemacht und quer über Drax Gesicht gelegt hatte. „Wehe du lachst“, schimpfte Drax, „Ich hab halt noch nicht raus, wie ich beide gleichzeitig bewege. Immer wenn ich eine bewege, macht die andere Quatsch“, seufzte es und ließ beide Barteln herunterhängen.

„Woher weiß du eigentlich, wann Gwen kommt?“ fragte Skye, die sich redlich bemühte, nicht zu kichern. „Wann weiß ich nicht“, antwortete Drax, „Das sagt sie uns bestimmt noch rechtzeitig. Vielmehr sagt sie es mir, da sie ja anscheinend nicht in deinem Kopf spricht, wenn du mich so fragst. Naja, du bist ja auch kein Drache.“ Skye schüttelt den Kopf über diese Drachen, die beide immer davon ausgingen, dass sie schon wissen würde, was passiert und was zu tun sein, bloß weil sie selbst Bescheid wussten. Skye hatte mal wieder keine Ahnung, was da als nächstes auf sie zukam. Was würde Gwen wohl brauchen, wenn sie zu Besuch war? Blieb sie über Nacht? Mochte sie auch Spaghetti? Und was würde dann mit Drax passieren? „Ganz schön aufgeregt“, murmelte Drax erneut und schlief wohlig gebürstet ein. Skye kuschelt sich an, atmete den Geruch von Drax tief ein und starre auf diesen wundersamen, frechen Drachen, der ein Teil von ihr geworden war.

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Dienstag, 4. August 2020
Nostalgie (Gwen 17)
Drax schubberte sich genüsslich, während Skye die Badebürste über Schuppen und Fell kreisen ließ. „Jetzt müsste Gwen eigentlich bald kommen“, murmelte Drax. „Gwen wiedersehen wäre schon toll“, meinte Skye zwischen zwei Kreisbewegungen. Sie erinnerte sich noch wie gestern an ihre erste Begegnung mit Gwen, die eines Tages auf ihrem Sofa aufgetaucht war, sich als Gwendolina Tyromania Gwandania Pyrodonia Reginalda Rügenburges vorstellte und ihr schließlich das Ei überlassen hatte, aus dem Wochen später dann Drax geschlüpft war. Auch wenn Skye zunächst vermutet hatte, dank Rotwein nur besonders lebendig geträumt zu haben, hatte sie sich schließlich damit abgefunden, dass Drax nun mal da war. Sie hatte nach und nach herausgefunden, was Drax brauchte und sich völlig daran gewöhnt, mit einem kleinen frechen Drachen zu leben, den niemand sonst sah. Wieder wurde sie etwas rührselig, als sie daran dachte, wie klein und hilflos Drax ursprünglich war, als es noch viele Dinge zum ersten Mal entdecke: Spaghetti essen, rausgehen, unter der Jacke auf dem Motorrad mitfahren, vor Zügen Angst haben, Marder und Katzen ärgern, kuscheln und fliegen. Inzwischen war Drax so groß, dass es gerade noch so in die Dusche passte, hatte imposante Zähne, zwei lange Barten und liebte zum Glück kuscheln sogar noch mehr seit es einen weichen weißen Flaum auf den Schuppen bekommen hatte.

„Moment mal“, stockte Skye „Du meinst jetzt aber nicht, dass Gwen wirklich kommt, oder?“ „Ach, wusstest du das nicht?“, schmunzelte Drax, „Gwen kommt, sobald mein Fell lang genug ist, um über die nächsten Schritte zu sprechen.“ Skye machte große Augen. Mit der Bürste in der Hand starrte sie Drax an. „Gwen nimmt dich mir aber nicht wieder weg, oder?“, fragte sie erschrocken. Drax schmunzelte sie an und schaute Skye aus nächster Nähe in die Augen: „Drachenbindungen sind für immer. Ich geh nicht weg, auch wenn ich mal woanders fliege.“ Skye war nicht wirklich beruhigt. Was hatte sie denn gedacht? Dass Drax immer klein blieb? Immer zufrieden damit wäre, um sie herum zu fliegen? Allein unter Menschen? Skyes Herz wummerte, als ihr zum ersten Mal seit langem wieder klar wurde, dass sie überhaupt nichts darüber wusste, was Drachen mit ihrem Leben anfingen, wie sie aufwuchsen und was sie als erwachsene Drachen dann so taten. Der Gedanke an Drax als ausgewachsenem Drachen, der irgendwo anders, irgendwas anderes zu tun haben würde, tat ihr weh. Drax war ihr mächtig ans Herz gewachsen. „Ich geh nicht weg“, gurrte Drax und ergänzte, als Skye es zweifelnd ansah: „Gwen wird dir alles erklären.“.
Daran wiederum hatte Skye nun wirklich Zweifel. Vor Drax Geburt hatte Gwen ihr auch nichts erklärt, sondern sie nur gebeten, gut auf Drax aufzupassen. Das hatte sie dann wohl einigermaßen hinbekommen. Drax wuchs und war fröhlich, wenn es nicht gerade einen seiner pubertären Schübe hatte, die vor allem aus „laaangweilig“, „will nicht“, „will mehr“ und „ich brauche….“ bestanden. Meistens war Drax ein wunderbarer Begleiter, mit dem Skye die Welt neu entdeckte, Geschichten erzählte, rumfuhr bzw. flog, kuschelte und ganz froh zusammenlebte. Skye seufzte, wie sehr sie diesen Drachen liebte, ohne Netz und Sicherung und ohne zu wissen, wie die Geschichte weitergeht.

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Sonntag, 2. August 2020
Fortschritte (Gwen 16)
Drax und Skye hocken drinnen bei Dauerregen. „Im Garten wars aber viel schöner,“ nörgelte Drax und lugte deprimiert durch die nassen Fenster auf die durchhängenden Blüten von Kornblumen und Mohn. Der Sommer schritt voran und alle sollten froh sein, dass es dieses Jahr endlich mal regnete. Das war aber leicht gesagt, wenn es vor lauter Kontaktsperren an Bewegung mangelte und Drax sowieso übellaunig war, weil die Schuppen so nervig juckten. Skye war inzwischen dazu übergegangen, Drax mit einer riesigen Badewannenbürste morgens abzubürsten. Dann grinste Drax ganz froh, hüpfte herum und machte Quatsch: „Ich wackel niiiie mit dem Po, siehst du?“ Nach jedem Duschen cremte Skye Drax ausgiebig ein und staunte, wie große Mengen der fetten Creme von Drax schuppiger Haut aufgesaugt wurden. „Weißt du was darüber, was als nächstes passiert, Drax? Häutest du dich jetzt? Oder bekommst neue Schuppen? Oder Haare?“ Drax grummelte nur vor sich hin und murmelte etwas in der Art, woher es das wissen solle, bisher wäre doch alles so schön glatt und kühl gewesen und überhaupt, wo sei denn bitte Gwen, wenn es die Mutter mal brauchte…
Skye musste zugeben, dass die Erfahrung von Gwen jetzt echt ganz praktisch wäre. Die hatte sich aber seit der Eiablage nicht wieder blicken lassen und so cremte Skye halt weiter so gut sie konnte.

Drax Haut machte nach einigen Wochen immerhin Fortschritte. Die Verkäuferin in der Apotheke kannte Skye nun schon und verkaufte ihr kommentarlos immer wieder ihre 3 großen Tuben Creme für Drax. Skye trug den fettigen Schmier großzügig auf und cremte immer noch eine Weile weiter, wenn das Fett längst aufgesaugt war, weil das Drax so genoss und weil Skye einfach gern mochte Drax wieder weich werdende Haut zu berühren. Nach und nach wurden die kratzigen Stoppeln zu weichen Härchen, was für Drax leichter zu ertragen war, aber Skye das Eincremen deutlich erschwerte. Drax schlief viel, grummelte viel und war eigentlich nur guter Laune, wenn es gerade einen längeren Ausflug über Wald und Wiesen hinter sich hatte oder Skye es ausgiebig mit Fettcreme eingecremt hatte.

„Immerhin hast du keine Milchzähne,“ stellte Skye fest, „Bei Menschen fallen die ersten Zähne nämlich alle einmal aus, bis dann die richtigen Zähne nachwachsen.“ „Das ist ja albern, ihr bekommt bloß zweimal Zähne?“, schüttelte Drax den Kopf. Dann rumpelte es in seiner Schlafecke herum und brachte einen weinroten Samtbeutel zum Vorschein: „das ist bei Drachen sehr diskret.“ Skye nahm den Beutel entgegen, öffnete ihn und entdeckte eine ganz Reihe kleiner Zähnchen, die sie ganz gerührt an das ehemals winzige Drachenjunge erinnerte, das immer fleißig alles Böse der Welt angefletscht hatte. Skye wurde etwas nostalgisch, weil Drax nun sehr schnell wuchs und sich vom frechen Minidrachen zu so was wie einem richtigen Drachen mit feisten Zähnen, leichtem Fell und zwei langen Barten am Maul entwickelte. Es vertilgte riesige Portionen Spaghetti und Salat, von den Verbrauchsmengen an Creme und Duschwasser ganz zu schweigen.

Außerdem hatte Drax vor kurzem Kaffee für sich entdeckt. Monatelang hatte es neugierig an Skyes geliebtem Milchkaffee geschnuppert, einen Schluck probiert und den dann nur widerwillig heruntergeschluckt, weil das ja voll bäh schmecke. Eines Tages nahm es dann doch einen zweiten Schluck, einen dritten und schlürfte schließlich Skyes Tasse leer. Nachdem sie tagelang kaum was von ihrem Kaffee abbekommen hatte, beschloss sie für Drax eine eigene Tasse zu brühen. Drax stand dann ganz aufgeregt in der Küche herum und surrte „Kaffee, Kaffee, Kaffee,…“, als wäre das nie anders gewesen. „Kann ich mehr Kaffee in weniger Milch haben?“, fragt es schließlich. Skye probiere rum und fand schließlich heraus, dass sie sich die Arbeit sparen konnte, eine für Drax ausreichend große Menge Milchschaum zu produzieren. Drax mochte den Kaffee offensichtlich fast schwarz, möglichst bitter, mit nur einen Klecks Milch und das ganze am besten alle 2 Stunden. So ändern sich die Dinge, wenn ein kleiner Drache heranwächst, dachte Skye, als Drax mal wieder von einem Ausflug nach Hause kam, sich erstmal gründlich wusch und dann sofort nach Kaffee verlangte. Ein mittelgroßer Drache mit juckendem Fell und einer großen Leidenschaft für guten Kaffee, schmunzelte Skye, und war gespannt, wie das wohl weitergeht.

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