Donnerstag, 31. März 2022
Stadtgalopp (Gwen 25)
Skye war ganze Tage durch Granadas Altstadt gewankt und stöhnte über ihren höllischen Muskelkater, den sie vom ständigen Auf und Ab der Gassen bekommen hatte. Viel zu lange war sie nicht mehr hier gewesen und genoss es, ihre liebsten Plätze und Ecken wieder zu entdecken. Sie war immer wieder voller Neugier auf Granada, wo sich das halbe Leben draußen abspielte, Musik eine in malerische Hinterhöfe lockte und die Menschen trotz der Touristenmassen freundlich blieben. Im Gegensatz zu Barcelona war der Verkehr hier nicht gar so allgegenwärtig und das Essen wesentlich besser und erschwinglicher. Nichts gegen Barcelona mit vielfältiger Kultur, Stadtstrand und der Neigung zu anarchistischen Untertönen. Skye hatte Barcelonas Trubel und Schönheit bei ihren früheren Reisen durchaus gemocht, aber das Gefühl, an diesem Ort gerne zu Hause sein zu wollen, hatte sie nur in Granada. Skye seufzte nicht zum ersten Mal vor Freude, "wenn Granada auch noch am Meer liegen würde, wäre es kaum auszuhalten".

Sie hatte nach dem knappen Frühstück mit pan de tomate und köstlichem Kaffee mehrere Tage zwischen Kathedrale, Märkten und kleinen verwunschenen Souvenirshops verbracht und die besondere Atmosphäre Granadas zwischen maurischer Geschichte und moderner Kulturvielfalt aufgesogen. Die Alhambra und vor allem deren malerische Gärten sparte sie sich für später auf, angefüllt mit Vorfreude auf die verspielte Schönheit voller Geschichte und Geschichten. In den letzten Tagen war sie mehr als genug gelaufen und kehrte froh erschöpft nach einem Bierchen mit arabischen Tapas abends in ihren Turm zurück.
Wieder bestaunte sie die Alhambra auf dem gegenüberliegenden Hügel und schüttelte den Kopf darüber, dass die spanischen Eroberer nichts Besseres zu tun gehabt hatten als einen Teil der maurischen Festung abzureißen und durch einen vierkantigen, stramm gleichförmigen Klotz zu ersetzen, der bis heute die Schönheit der ausgewogenen, verwinkelten und perspektivreichen Palasträume, Festung und Innenhöfe beleidigte. Trotzdem konnte sich Skye nie am Anblick der roten Festung satt sehen und freute sich darauf, die verschiedenen Palasträume mit ihrer besonderen Symmetrie bald wiederzusehen.

Sie genoss es, sich in Granada einzuleben, als endlich Drax auftauchte. Skye saß abends wieder entspannt auf ihrer Dachterrasse, schaute dem Sonnenuntergang rund um die Alhambra zu und vergaß zu atmen, als sie in diesem roten Licht einen Schatten entdeckte, der sich aus Richtung der Berge auf sie zu schlängelte. Skye schloss und öffnete ein paar Mal die Augen, bis sie sicher war, dass dort tatsächlich Drax auf sie zukam. "Huiih", hörte Skye. "Guckstu, wie gut ich fliegen kann! Huiih, hier ist viel wärmer als in den Bergen. Aufwind, huuih", war Drax zu hören, während es noch ein paar Schleifen über der Stadt flog.

Eilig räumte Skye die Stühle und den Tisch auf ihrer Terrasse beiseite und brachte ihr Weinglas in Sicherheit. Besorgt schaute sie, wie Drax in rasendem Tempo auf sie zukam, es sich aber im letzten Moment noch anders überlegte und eine weitere Runde flog. "Hast du gedacht, ich krieg das nicht hin und flieg dich um?", kicherte Drax, als es endlich mit nur ein bisschen Gerumpel gelandet war. "Klasse Turm", merkte Drax dann noch an, "Hast du Cracker?". Selbstverständlich hatte Skye Cracker besorgt und so erzählten sie sich während der blauen Stunde im Angesicht der Alhambra, was sie erlebt hatten, als sie während der Anreise nach Andalusien zum ersten Mal seit Drax´ Geburt getrennt gewesen waren.

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