Dienstag, 4. August 2020
Nostalgie (Gwen 17)
Drax schubberte sich genüsslich, während Skye die Badebürste über Schuppen und Fell kreisen ließ. „Jetzt müsste Gwen eigentlich bald kommen“, murmelte Drax. „Gwen wiedersehen wäre schon toll“, meinte Skye zwischen zwei Kreisbewegungen. Sie erinnerte sich noch wie gestern an ihre erste Begegnung mit Gwen, die eines Tages auf ihrem Sofa aufgetaucht war, sich als Gwendolina Tyromania Gwandania Pyrodonia Reginalda Rügenburges vorstellte und ihr schließlich das Ei überlassen hatte, aus dem Wochen später dann Drax geschlüpft war. Auch wenn Skye zunächst vermutet hatte, dank Rotwein nur besonders lebendig geträumt zu haben, hatte sie sich schließlich damit abgefunden, dass Drax nun mal da war. Sie hatte nach und nach herausgefunden, was Drax brauchte und sich völlig daran gewöhnt, mit einem kleinen frechen Drachen zu leben, den niemand sonst sah. Wieder wurde sie etwas rührselig, als sie daran dachte, wie klein und hilflos Drax ursprünglich war, als es noch viele Dinge zum ersten Mal entdecke: Spaghetti essen, rausgehen, unter der Jacke auf dem Motorrad mitfahren, vor Zügen Angst haben, Marder und Katzen ärgern, kuscheln und fliegen. Inzwischen war Drax so groß, dass es gerade noch so in die Dusche passte, hatte imposante Zähne, zwei lange Barten und liebte zum Glück kuscheln sogar noch mehr seit es einen weichen weißen Flaum auf den Schuppen bekommen hatte.

„Moment mal“, stockte Skye „Du meinst jetzt aber nicht, dass Gwen wirklich kommt, oder?“ „Ach, wusstest du das nicht?“, schmunzelte Drax, „Gwen kommt, sobald mein Fell lang genug ist, um über die nächsten Schritte zu sprechen.“ Skye machte große Augen. Mit der Bürste in der Hand starrte sie Drax an. „Gwen nimmt dich mir aber nicht wieder weg, oder?“, fragte sie erschrocken. Drax schmunzelte sie an und schaute Skye aus nächster Nähe in die Augen: „Drachenbindungen sind für immer. Ich geh nicht weg, auch wenn ich mal woanders fliege.“ Skye war nicht wirklich beruhigt. Was hatte sie denn gedacht? Dass Drax immer klein blieb? Immer zufrieden damit wäre, um sie herum zu fliegen? Allein unter Menschen? Skyes Herz wummerte, als ihr zum ersten Mal seit langem wieder klar wurde, dass sie überhaupt nichts darüber wusste, was Drachen mit ihrem Leben anfingen, wie sie aufwuchsen und was sie als erwachsene Drachen dann so taten. Der Gedanke an Drax als ausgewachsenem Drachen, der irgendwo anders, irgendwas anderes zu tun haben würde, tat ihr weh. Drax war ihr mächtig ans Herz gewachsen. „Ich geh nicht weg“, gurrte Drax und ergänzte, als Skye es zweifelnd ansah: „Gwen wird dir alles erklären.“.
Daran wiederum hatte Skye nun wirklich Zweifel. Vor Drax Geburt hatte Gwen ihr auch nichts erklärt, sondern sie nur gebeten, gut auf Drax aufzupassen. Das hatte sie dann wohl einigermaßen hinbekommen. Drax wuchs und war fröhlich, wenn es nicht gerade einen seiner pubertären Schübe hatte, die vor allem aus „laaangweilig“, „will nicht“, „will mehr“ und „ich brauche….“ bestanden. Meistens war Drax ein wunderbarer Begleiter, mit dem Skye die Welt neu entdeckte, Geschichten erzählte, rumfuhr bzw. flog, kuschelte und ganz froh zusammenlebte. Skye seufzte, wie sehr sie diesen Drachen liebte, ohne Netz und Sicherung und ohne zu wissen, wie die Geschichte weitergeht.

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