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Dienstag, 23. Mai 2017
extraterrestische Beobachtungen I
minzstern, 21:09h
Liebe Leute,
ich berichte nun life aus der extraterrestrischen Sphäre eines Tagungshotels mit angeschlossenem Spa. Nicht dass ich ständig in diesen Luxus wohlorganisierter, gehobener Mittelständigkeit käme, aber ich war berufsbedingt schon in einigen dieser Hotels und bin überzeugt, dass sich diese in einem uniformen Kosmos außerhalb der Welt befinden, dessen Grenzen von eigens geschulten Taxisfahrern ohne sichtbaren Schlagbaum überwunden werden. All diese Hotels haben wie ausländische Botschaften eine eigene Logik als straff organisierte Sonderzonen der Höflichkeit und der Regulation menschlicher Bewegungen und Dienstleitungsanforderungen.
Dass wir als Gäste die Welt, wie wir sie kennen, verlassen haben, wird an den Markern deutlich, die in jedem dieser Tagungshotels zu finden sind: die Grundfarbe ist immer eine Variante von dem, wie sich Hotelplaner die Farben der Toskana vorstellen. Es treten auffällig viele Säulen und Griffe auf, die so tun als wären sie aus Messing und die besonders irritierend sind, weil sie so rein gar nicht mit den ocker-terrakotta-Toskana-Simulationsfarbtönen harmonieren. Das Motiv des für Tagungshotels essentiellen Messings findet sich als stete Wiederholung an Tischbeinen, Treppengeländern, Begrenzungssäulen, Lampenschirmhalterungen und, besonders gerne, als Accessoire für Liebhabe sogar in den Etageren mit ihren kleinen Gebäckapplikationen wieder. Weiteres Merkmal sind eine besondere Art von Teppichen, die dick genug sind, Geräusche zu minimieren, aber doch nicht so dick, dass ein Gast den Verdacht von eingelagertem Schmutz hegen könnte. Wo kein Teppich liegt, befindet sich stets Pseudomarmor, der so glattpoliert wird, dass man Angst bekommt, dem Spiegelbild der eigenen Oma zu begegnen.
In diesem Hoteliotop sind die Mitarbeiter*innen einer besonderen Sprache mächtig: Sie sagen die ewig gleichen Sätze zu Frühstückszeiten und Wlan-Passwörtern jedem Gast so als wäre es das erste Mal. Vielleicht werden diese Sätze vor jedem Gast neu in das Sprachmodul geladen, so dass es für die Rezeptionistin selbst ein Markt der Neuigkeiten ist, die gleiche Information jeden Tag zweihundert Mal zu geben. Das wäre jedenfalls praktisch, weil die Mitarbeiter*in so mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Langeweile verstirbt und außerdem Änderungen bei Öffnungszeiten und Passwörtern gleich in Echtzeit in den gesprochenen Text upgedated werden können. Die fertig assimilierte Tagungshotelmitarbeiterin beherrscht zudem eine ganz besondere Fremdsprache, die wie Deutsch (oder wahlweise Englisch, Mandarin oder Bayerisch) klingt, aber das Kunststück vollbringt, Höflichkeit zu simulieren und dennoch den Gast so schnell wie möglich in die vorgesehenen Schließfächer einzuordnen. Aus den Augen, aus dem Sinn, Sprachupdate laden, der Nächste.
Nicht dass hier der Eindruck entsteht, ich wolle mich beklagen. Nein, ich finde das großartig, Teil dieses wohlabgestimmten Räderwerks zu sein, indem ich gefüttert, mit Ruhe versorgt, gebadet, massiert und zu gegebener Zeit hinauskomplementiert werden. Es hat etwas enorm Entlastendes auf einem fremden Planeten zu sein, dessen Regeln wie am Schnürchen laufen: essen heißt es gibt essen; Dusche, Klo und Bett befinden sich wo sie zu erwarten sind; es gibt Stühle wo Stühle gebraucht werden und Alkohol wo Alkohol gebraucht wird. Ich hüte mich jedenfalls davor, heimlich an der Tapete zu kratzen oder an Messingsäulen zu drehen, um zu sehen, wie die Tagungshotelianer in Wirklichkeit aussehen, wenn sie nicht per Sprachupdate und Hologramm für die Gäste verträglich gemacht werden. Nein, nein, Abenteuer bietet die Raumstation Tagungshotel auch diesseits der Messingverkleidung – weitere Folgen, Hotelzeit 2017_1, sind zu erwarten.
ich berichte nun life aus der extraterrestrischen Sphäre eines Tagungshotels mit angeschlossenem Spa. Nicht dass ich ständig in diesen Luxus wohlorganisierter, gehobener Mittelständigkeit käme, aber ich war berufsbedingt schon in einigen dieser Hotels und bin überzeugt, dass sich diese in einem uniformen Kosmos außerhalb der Welt befinden, dessen Grenzen von eigens geschulten Taxisfahrern ohne sichtbaren Schlagbaum überwunden werden. All diese Hotels haben wie ausländische Botschaften eine eigene Logik als straff organisierte Sonderzonen der Höflichkeit und der Regulation menschlicher Bewegungen und Dienstleitungsanforderungen.
Dass wir als Gäste die Welt, wie wir sie kennen, verlassen haben, wird an den Markern deutlich, die in jedem dieser Tagungshotels zu finden sind: die Grundfarbe ist immer eine Variante von dem, wie sich Hotelplaner die Farben der Toskana vorstellen. Es treten auffällig viele Säulen und Griffe auf, die so tun als wären sie aus Messing und die besonders irritierend sind, weil sie so rein gar nicht mit den ocker-terrakotta-Toskana-Simulationsfarbtönen harmonieren. Das Motiv des für Tagungshotels essentiellen Messings findet sich als stete Wiederholung an Tischbeinen, Treppengeländern, Begrenzungssäulen, Lampenschirmhalterungen und, besonders gerne, als Accessoire für Liebhabe sogar in den Etageren mit ihren kleinen Gebäckapplikationen wieder. Weiteres Merkmal sind eine besondere Art von Teppichen, die dick genug sind, Geräusche zu minimieren, aber doch nicht so dick, dass ein Gast den Verdacht von eingelagertem Schmutz hegen könnte. Wo kein Teppich liegt, befindet sich stets Pseudomarmor, der so glattpoliert wird, dass man Angst bekommt, dem Spiegelbild der eigenen Oma zu begegnen.
In diesem Hoteliotop sind die Mitarbeiter*innen einer besonderen Sprache mächtig: Sie sagen die ewig gleichen Sätze zu Frühstückszeiten und Wlan-Passwörtern jedem Gast so als wäre es das erste Mal. Vielleicht werden diese Sätze vor jedem Gast neu in das Sprachmodul geladen, so dass es für die Rezeptionistin selbst ein Markt der Neuigkeiten ist, die gleiche Information jeden Tag zweihundert Mal zu geben. Das wäre jedenfalls praktisch, weil die Mitarbeiter*in so mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Langeweile verstirbt und außerdem Änderungen bei Öffnungszeiten und Passwörtern gleich in Echtzeit in den gesprochenen Text upgedated werden können. Die fertig assimilierte Tagungshotelmitarbeiterin beherrscht zudem eine ganz besondere Fremdsprache, die wie Deutsch (oder wahlweise Englisch, Mandarin oder Bayerisch) klingt, aber das Kunststück vollbringt, Höflichkeit zu simulieren und dennoch den Gast so schnell wie möglich in die vorgesehenen Schließfächer einzuordnen. Aus den Augen, aus dem Sinn, Sprachupdate laden, der Nächste.
Nicht dass hier der Eindruck entsteht, ich wolle mich beklagen. Nein, ich finde das großartig, Teil dieses wohlabgestimmten Räderwerks zu sein, indem ich gefüttert, mit Ruhe versorgt, gebadet, massiert und zu gegebener Zeit hinauskomplementiert werden. Es hat etwas enorm Entlastendes auf einem fremden Planeten zu sein, dessen Regeln wie am Schnürchen laufen: essen heißt es gibt essen; Dusche, Klo und Bett befinden sich wo sie zu erwarten sind; es gibt Stühle wo Stühle gebraucht werden und Alkohol wo Alkohol gebraucht wird. Ich hüte mich jedenfalls davor, heimlich an der Tapete zu kratzen oder an Messingsäulen zu drehen, um zu sehen, wie die Tagungshotelianer in Wirklichkeit aussehen, wenn sie nicht per Sprachupdate und Hologramm für die Gäste verträglich gemacht werden. Nein, nein, Abenteuer bietet die Raumstation Tagungshotel auch diesseits der Messingverkleidung – weitere Folgen, Hotelzeit 2017_1, sind zu erwarten.
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