Freitag, 4. März 2016
Kleiner Zettel – großer Mut
Ich möchte echt nicht zurück in die Pubertät. Ok, vieles war aufregend: all dieses Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt. Drama! Melancholie! Alles Neu! Vieles zum ersten Mal.

Aber im Grunde war es ja ganz schön nervig, schon so viel zu können und so wenig zu dürfen. Überall Grenzen, Regeln und Bevormundung. Die seltsamen Dinge, die mit dem Körper passieren: komisch riechen, Pickel, auf einmal Riesenfüße und trotzdem kleine Brüste. Zum Glück muss man das nur einmal im Leben durchmachen. Schon wegen der Jungs, die umso lauter wurden, je mehr sie später entwickelt als die Mädchen waren und nicht wussten wohin mit all ihrer Kraft. Dazu schlabbrige Küsse, Peinlichkeiten (ok und auch Aufregung) beim Flaschendrehen. Der erste Vollrausch, durchgetanzte Nächte und endlose Langeweile in der Schule. Dreizehn sein möchte ich nicht nochmal machen müssen.

Ich weiß nicht, ob ich mich je wirklich erwachsen fühlen werde, aber irgendwie bin ich heute doch groß: ich sorg für mich selbst, treffe meine eigenen Entscheidungen. Ich kann meine Kleidung dreckig machen so viel ich will, weil ich sie ja selbst saubermache. Ich kann den Kühlschrank so oft aufreißen, wie ich will. Selbst entscheiden, was ich einkaufe, wie ich wohne, wie viel ich schlafe, was ich anziehe, wer meine Freund/innen sind und wann ich abends nach Hause komme.

Eins scheint sich jedoch nach der Pubertät eben nicht zu ändern: die Verunsicherung und Aufregung des Verliebt-Seins. Dieses Gefühl, wie die Zuneigung sich in mir ausbreitet, mein Herz sich öffnet, die ganze Welt nach Leben schmeckt, riecht und tanzt. Und leider auch die nagende Frage, ob er das wohl auch fühlen könnte. Kann das passen? Will ich das? Kann ich das? Will er das? Kann er das? Herjemineh….

Wie einfach waren da diese Zettel, die wir mit Dreizehn über die Schulbank geschoben haben: „Willst Du mit mir gehen?“
Es erforderte Mut, diesen Zettel zu schreiben und dem bewunderten, ach so schönen, faszinierenden Auserwählten zu geben. Der oder die konnte den Zettel ignorieren oder ganz einfach Ja, Nein oder Vielleicht ankreuzen. Binnen fünf Minuten war alles geklärt. Wir haben nicht wochenlang an Zweifeln genagt. Wir haben keine verschrobelten Verhandlungen geführt, welche Art von Beziehung, Affäre, Liebschaft oder Lebensabschnittsgefährtentum wir anstreben. Wir haben nicht vorher diskutiert, was daraus werden soll, oder was die Freund/innen dazu sagen. Wir hatten keine Vor-Geschichten und erst wenige Narben im Herzen. Eine Person hat den ersten Schritt gewagt und es gab das Ja, Nein oder Vielleicht. Und dann konnte es losgehen. Wir konnten und brauchten nicht vorher zu wissen, wohin das führt und ob es fünf Minuten, fünf Tage oder fünf Jahre halten würde. Wir sagten Ja, Nein oder Vielleicht. Und wir erlebten dann halt, was daraus werden konnte.

Ich beneide mein pubertäres Ich um diese Unbefangenheit und Schlichtheit: frag einfach, wenn Du glaubst, er könnte für hier und jetzt der Richtige sein. Und wenn Du gefragt wirst, geh los.
Heute mache ich mir endlose Gedanken über all die Gründe, die dagegen sprechen, all das was ich falsch machen könnte, was er falsch machen könnte, was nicht geht, nicht passt, nicht so wichtig ist, schief gehen könnte. Alles so erwachsene Abwägungen, die verhindern, einfach mal zu fragen: Willst du mit mir gehen?

... link (0 Kommentare)   ... comment